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Quelle: Italienisch 20 (1988) 39–55.

Italo Calvino und die Poetik des „Barone rampante“

Seit Calvinos Tod am 19. September 1985 mehren sich begreiflicherweise die Versuche, vom Werk und von der intellektuellen Figur dieses Autors ein kritisch wertendes Gesamtbild zu erstellen. Dabei ist es unvermeidlich, daß die älteren Teilansichten mancher Revision unterzogen werden und daß neben dem Aspekt der (zunächst nekrologischen) Würdigung jener einer literarhistorischen, gelegentlich auch ideologiekritischen Problematisierung tritt. Auf jeden Fall scheint der Moment gekommen, das allzu glatt stilisierte Image zu korrigieren, welches in Calvino allein den stoisch unverdrossenen Aufklärer und Moralisten zeigte, eine verklärte Lichtgestalt gewissermaßen, die sich nach Vittorio Spinazzola etwa mit den folgenden Distinktionen charakterisieren ließ: „un intellettuale profondamente laico, forte di una saggezza imperturbata, estraneo alle corrività facilone (sic), ai compiacimenti snobistici, alle meschinità provinciali“. [1]
Es versteht sich von selbst, daß dies Image zumal in seinen positiven Seiten nicht einfach unzutreffend ist; doch werden mehr und mehr seine Einseitigkeit und wohl auch Oberflächlichkeit sichtbar. Fragwürdig erscheint unter dem Eindruck des Spätwerks vor allem die Behauptung einer „saggezza imperturbata“, also jene Komponente in Calvinos Schaffen, die allen Tendenzen zeitgenössischer Literatur und Theorie ohnehin stets eklatant zuwiderlief. Gerade ihre Voraussetzung, die Prämisse einer wesentlich unversehrten Ichstärke, ist letzthin wiederholt in Zweifel gezogen worden. Solche Zweifel kommen beispielsweise in der Kontroverse zum Ausdruck, welche Gerhard Goebel-Schilling und Salvatore A. Sanna über den problematischen Zusammenhang zwischen Ich-Identität und Erkenntnis bei Calvino ausgetragen haben [2] ; sie spielen eine Rolle in Mario Barenghis Aufsatz „Italo Calvino e i sentieri che s’interrompono“ [3] , der nach dem Palomar und noch vor Calvinos Tod die Wandlungen (und Reduktionen) von Calvinos „volontarismo etico“ auf eine erstaunlich abschließende Weise nachgezeichnet hat; sie sind – wie schon der Titel verrät – von zentraler Bedeutung für Spinazzolas Essay „L’io diviso di Italo Calvino“. [4]
Die in diesen Beiträgen entwickelte Problematisierung der „saggezza imperturbata“ bildet nun auch den Ausgangspunkt meiner Notizen. Freilich möchte ich bei der Betrachtung von Calvinos ebenso fragwürdiger wie tiefgründiger Insistenz auf einem „ethischen Voluntarismus“ und einer „autonomia dell’io percipiente“ (V. Spinazzola) [5] diesmal nicht in erster Linie das Spätwerk thematisieren, sondern zu einem weit früheren Text zurückkehren: dem kleinen Roman Il barone rampante von 1957. Immer klarer erweist sich nämlich, daß dieser beim Leserpublikum zwar recht erfolgreiche, von der internationalen Kritik aber eher vernachlässigte Text für den Entwurf eines Gesamtbilds des Calvinoschen Schaffens einen geradezu emblematischen Rang besitzt. Vielleicht erlaubt sogar erst die literarhistorische Situation am Ausgang der achtziger Jahre, dem in seiner Epoche einigermaßen isolierten Roman wirklich adäquat gerecht zu werden.
Daß wir heute einen anderen, erstaunteren und respektvolleren Blick auf den Barone rampante werfen, als das Ende der fünfziger Jahre möglich war, hat wohl vor allem zwei Gründe. Zum ersten entsprach der „Baron auf den Bäumen“ in der Zeit seiner Publikation kaum den Begriffen, die man sich damals vom linearen Fortschritt der Roman-, oder allgemeiner: der Prosaentwicklung machte. Angesichts der eminenten Lesbarkeit dieses Textes fiel es schwer, Querverbindungen zu Prousts Recherche oder zum Ulysses des James Joyce, also den einhellig kanonisierten Modellen des „modernen Romans“, zu ziehen, und auch mit dem erzähltechnisch innovativen „Nouveau Roman“ (Nathalie Sarrautes Portrait d’un inconnu [1948],Robbe-Grillets Les Gommes [1953]oder Butors Passage de Milan [1954] ),der in jenen Jahren die literaturtheoretischen Diskussionen beherrschte, ließen sich keine nennenswerten Gemeinsamkeiten feststellen. Stattdessen nahm die narrative Faktur des Barone rampante mit einer Virtuosität, die der nach dem formal evidenten Progress suchende Blick zunächst nicht bemerken mochte, Merkmale vorweg, welche man in den achtziger Jahren dem idealtypischen Roman der PostModerne oder, wie ich lieber sagen möchte, der Post-Avantgarde zuzuschreiben pflegt. [6] Ohnehin schon durch eine ungewöhnliche Dichte intertextueller Referenzen ausgezeichnet, die von Ippolito Nievos Confessioni d’un italiano bis zu Tolstois Krieg und Frieden reichen, konstituiert der Romantext sich hier nicht als bewußte Transgression eines etablierten Kanons (etwa des sogenannten realistischen Romans), sondern als kombinatorisches Spiel mit verschiedenen älteren Erzählformen, ein Spiel, bei dem der Grad ironischer Reserve jeweils eigentümlich unentscheidbar in der Schwebe blieb. So präsentierte der „Baron auf den Bäumen“ offenkundig Elemente des Allegorischen und des Märchenhaften; er folgte dem Schema von Abenteuerromanen, die wie Defoes Robinson Crusoe den Kampf mit der Natur in ausgesetzter Lage oder wie Jules Vernes Le Tour du monde en 80 jours die Bewältigung einer extrem schwierigen, selbstgestellten Aufgabe schildern; schließlich war er in einem doppelten Sinn mit der geschichtlichen Periode des 18.Jahrhunderts befaßt, das heißt: er suchte als historischer Roman ein Buch über das Settecento und gleichzeitig als Conte philosophique ein Buch im Stile des Settecento zu sein, ohne doch in einem der beiden Genera jemals ganz aufzugehen. [7]
Zum anderen haben erst die späteren Werke (Le città invisibili, Se una notte d’inverno un viaggiatore, Palomar)mit ihrer manifesten literatur- und erkenntnistheoretischen, ja geschichtsphilosophischen Thematik bewußt gemacht, [8] daß ähnliche Probleme sich auch schon unter der so überaus gefällig lesbaren Oberfläche des Barone rampante verbargen. Für die Kritiker der fünfziger Jahre, deren ästhetischer Erwartungshorizont nicht zuletzt durch das mythisierende existentielle Pathos Paveses und Vittorinis bestimmt wurde, verhinderte wohl gerade die gleichsam Mozartsche Schwerelosigkeit des Fabulierens, im Fluß der Erzählung Untertöne wahrzunehmen, welche die deklarierten Modi von „Umorismo, fantasia, avventura“ (so der Selbstkommentar Tonio Cavillas) nicht ohne weiteres erwarten ließen. [9] Dabei ist die Wahrnehmungsfähigkeit des gegenwärtigen Lesers vielleicht am stärksten durch die 1980 erfolgte zusammenfassende Veröffentlichung von Calvinos „Discorsi di letteratura e società“ in einem Band (Una pietra sopra)gefördert worden. Aus diesen Aufsätzen über Literatur und Gesellschaft kann man nicht nur entnehmen, wieviel von Calvinos poetologischen und politischen Überlegungen in den scheinbar schwerelos fabulierten Roman eingegangen ist, sondern auch, in welchem Ausmaß diese Motive, die den Barone rampante etwa mit den Essays Il midollo del leone,
Il mare dell’oggettività oder La sfida al labirinto verbinden, konstante, ja obsessive Grundthemen noch für die letzten und – wenn man so will – pessimistisch verdüsterter Texte des Palomar geblieben sind.
Um die Elemente thematischer Gemeinsamkeit zwischen dem frühen und dem später Calvino sowie mit ihnen die Permanenz einer bestimmten Poetik näher zu belegen, fasse ich zunächst noch einmal die Ergebnisse einer älteren Strukturanalyse des Barone rampante zusammen. [10] Deren hauptsächliches Resultat bestand in der Identifikation vor zwei essentiell widersprüchlichen Momenten der Romanstruktur. Von ihnen wird das eine Moment, jenes der Allegorie, in Tonio Cavillas knapper Inhaltsangabe mit Nachdruck hervorgehoben:
„Un ragazzo sale su di un albero, si arrampica tra i rami, passa da una pianta all’altra, decide che non scenderà più. L’Autore di questo libro non ha fatto che sviluppare questa semplice immagine e portarla alle estreme conseguenze: il protagonista trascorre l’intera vita sugli alberi, una vita tutt’altro che monotona, anzi: piena d’avventure, e tutt’altro che da eremita, però sempre mantenendo tra sé e i suoi simili questa minima ma invalicabile distanza.“ [11]
Tatsächlich läßt sich der erste und thematisch fundamentale Aspekt des Buchs auf ein „einfaches Bild“, die „semplice immagine“ des Lebens in den Bäumen, zurückführen, und das Resümee des Selbstkommentars gibt auch bereits an, was dies Bild nach dem Willen seines Autors bedeutet: es steht für die Existenz eines Menschen, der zwischen sich und den anderen einen kleinen, aber unüberbrückbaren Abstand bewahrt. Und daß mit dem Begriff des Abstands, der „distanza“, ein tieferes moralisches Problem verbunden ist, geht ebenfalls schon aus dem Selbstkommentar hervor, wenn Tonio Cavilla, nachdem er das Bild „l’uomo che vive sugli alberi“ erneut als Generator der Erzählung genannt hat, die Fragen stellt:
„È un’allegoria del poeta, del suo modo sospeso di essere nel mondo? E, più in particolare, è un’allegoria del ‹disimpegno›? Oppure, al contrario, dell’ ‹impegno› ?“ [12]
Damit wird festgehalten, daß die Grundsituation des Romans in der Tat als eine Allegorie zu lesen ist, welche sowohl moralisch-politische wie poetologische Implikationen umfaßt. Auch was die Wertung der durch die Allegorie bezeichneten Existenzform betrifft, äußern sich Calvinos Kommentare durchaus eindeutig. Zwar scheint Tonio Cavilla – zumindest rhetorisch – zwischen einer Allegorie des Engagements und einer Allegorie des Désengagements zu schwanken; doch läßt das Nachwort zur Trilogie I nostri antenati keinen Zweifel an dem Paradox, daß die Bilder der Distanzierung hier gleichzeitig Bilder eines ideal gelungenen Engagements abgeben sollen. Dabei wird Cosimo nicht nur als utopischer „uomo completo“ empfohlen, sondern zugleich als „un uomo continuamente dedito al bene del prossimo“, der indes weiß, „che per essere con gli altri veramente, la sola via era d’essere separato dagli altri“ und der in diesem Bewußtsein idealtypisch die „vocazione del poeta, dell’esploratore, del rivoluzionario“ erfüllt. [13] Im übrigen macht Calvino selber darauf aufmerksam, daß nach dem allegorischen Sinn der Figur des Protagonisten auch der Aufbau des Repertoires der übrigen Figuren angelegt ist; denn wenn Cosimo den „positiven Helden“ eines „solitario che non sfuggiva la gente“ darstellt, [14] dann bilden die anderen Gestalten von den exilierten spanischen Adligen über Cosimos „zio naturale“ Enea Silvio Carrega oder Cosimos Schwester Battista bis zum jansenistischen Hauslehrer Abate Fauchelafleur eine Galerie von „Caractères“ müßiger oder böser Vereinzelung. Als „personaggi comprimari“ erscheinen sie im Gegensatz zu Cosimo „einsam“ in einem negativen Sinn: „dei solitari, ognuno con una maniera sbagliata d’esserlo, intorno a quell’unica maniera giusta che è quella del protagonista“. [15]
Indem das Figurenrepertoire im Barone rampante derart vor allem dazu dient, durch eine Serie paradigmatischer Oppositionen das Bild des richtigen Lebens zu präzisieren, erhält die Zentralgestalt des positiven Helden, der die „unica maniera giusta“ der („dichterischen“ oder „revolutionären“) Einsamkeit verkörpert, ein – zumal in der Literatur der fünfziger Jahre – ungewöhnliches Relief. Wenn wir dem Nachwort der Antenati-Trilogie folgen wollen, zeigt diese Gestalt nichts Geringeres als den Weg zu Calvinos idealem Selbstentwurf, das heißt: „una via verso una completezza non individualistica da raggiungere attraverso la fedeltà a un’autodeterminazione individuale“. [16] Ein solcher Selbstentwurf ist, um die Fragestellung von Calvinos alter ego Tonio Cavilla wieder aufzunehmen, durchaus als ein „engagierter“ zu verstehen, und tatsächlich entwickelt sich Cosimos Existenz auf den Bäumen ja auch in einer Folge von Leistungen sozialer Hilfe und politischer Organisation, die bis zu – in vielfachem Sinn – revolutionären Verfassungsentwürfen gehen. Immer bleibt dies Engagement jedoch – und das ist in den Perspektiven des Selbstkommentators wie des impliziten Autors das Entscheidende – an die Prämisse von Distanz gebunden. Mit ihr korrigiert Calvinos Allegorie andere während der fünfziger Jahre verbreitete Auffassungen vom Engagement, ohne sie prinzipiell zu negieren: zunächst im italienischen Kontext die Konzepte Vittorinis, dann in einem weiteren Rahmen Sartres Pathos der „Situation“, für Calvinos „Pathos der Distanz“ offenkundig die wesentliche Provokation.
Dies „Pathos der Distanz“ ist als eine bedeutsame Variante „engagierter“ Moral und Literatur indes nur dann zu erfassen, wenn man verfolgt, wie es sich stets aufs neue durch den Effekt genauerer und weiterer Erkenntnis legitimiert. So unterstreicht Calvino in einer Reihe symbolisch vertiefter Episoden, daß Cosimos Distanznahme von seiner Umgebung ihn keineswegs zu einer Art „great refusal“ à la Herbert Marcuse führt und daß die Robinsonade hier mitnichten den Mythos vom „Bon Sauvage“ im Auge hat. Worum es bei der Distanznahme geht, ist vielmehr eine Freiheit, die Beobachtung und Anteilnahme auch dort gestattet, wo die Gebundenheit etablierter Sozialsituationen jede Einsicht zu verweigern pflegt. Derart wird Calvino nicht müde, die Erkenntnisfunktion von Cosimos Baumexistenz zu betonen. Denn erst dank des freieren und ausgedehnteren Blicks, den ihm die Distanz verschafft, sieht Cosimo die Menschen in ihren Relationen, nimmt Dinge wahr, die außerhalb der eigenen Klasse vorgehen, und fördert die Arbeit anderer Klassen durch mannigfache Dienste, welche – wie auch immer spielerisch und märchenhaft – über die Beschränktheit des Individuums in einer arbeitsteiligen Gesellschaft hinausweisen. Am pointiertesten kommt dieser Zusammenhang von Distanznahme, Erkenntnis und engagierter Praxis vielleicht durch das Gespräch zum Ausdruck, das Cosimos Bruder Biagio, als Erzählerfigur gewissermaßen der Serenus Zeitblom des Romans, auf seiner Kavaliersreise in Paris mit Voltaire führt. Wie Voltaire, der von Cosimo gehört hat, dem Leben auf den Bäumen mißtrauisch die Bedeutung von Himmelsnähe, daß heißt: metaphysischer Exaltation, unterlegt, kontert Biagio, indem er gegen den möglichen Aspekt mystischer Weltüberwindung den konträren Aspekt kritischer Weltbetrachtung und -veränderung setzt:
„Voltaire fu molto sorpreso, fors’anche perché il fratello di quel fenomeno appariva persona così normale, e si mise a farmi domande, come.
– Mais c’est pour approcher du ciel, que votre frère reste là-haut?
Mio fratello sostiene, – risposi, – che chi vuole guardare bene la terra deve tenersi alla distanza necessaria, – e il Voltaire apprezzò molto la risposta.“ [17]
Demnach repräsentiert der allegorische Aspekt des Barone rampante die Utopie einer harmonischen Verbindung von distanzierter Erkenntnis und engagierter Praxis, in der sich unschwer ein idealisierender Selbstentwurf des so politischen wie literarischen Autors ausmachen läßt, wie Calvino übrigens selbst andeutet, wenn er gesteht: „Per Il barone rampante avevo il problema di correggere la mia spinta troppo forte a identificarmi col protagonista“. [18] Nun ist die Struktur des Romans aber nicht auf die Allegorie einer Gestalt von utopischer Vollkommenheit beschränkt, sondern entfaltet neben dem Bild, das die zitierte Inhaltsangabe hervorhebt, auch eine Geschichte, die das ganze Leben des Protagonisten, „l’intera vita sugli alberi“, umfaßt. Im Aspekt der Lebensgeschichte unterliegt der Roman jedoch einem deutlichen Stimmungswandel, den Calvino merkwürdigerweise in keinem seiner zahlreichen Kommentare des Barone rampante je explizit erläutert hat. [19] Überschaut man den gesamten Ablauf von Cosimos Biographie, ergibt sich, daß er die Atmosphäre eines heiteren Optimismus, in welche die Allegorie des richtigen Lebens getaucht ist, zum Schluß nachdrücklich dementiert. Als individueller und kollektiver Bildungsroman betrachtet, folgt der Barone rampante keineswegs jener aufsteigenden Linie, die durch den allegorischen Sprung in die Baumwelt suggeriert wird, sondern ganz im Gegenteil: nach den Phasen der Rebellion gegen das Elternhaus, des Engagements für ein Leben distanzierter Erkenntnis und Solidarität, der Aufklärung durch verschiedene politische Projekte und Utopien, kommt es zu den Episoden der Revolution und der napoleonischen Feldzüge, bei denen sich herausstellt, daß „alles anders war, als man es erwartet hatte“ („era tutto diverso da come s’aspettava“). [20] Schließlich mündet die von Biagio erzählte historische Zeit des Romans in der bleiernen Gegenwart der Restauration, über die zu Beginn des letzten Kapitels – auf das Jahr 1820 bezogen [21] – gesagt wird:
„Ora io non so che cosa ci porterà questo secolo decimonono, cominciato male e che continua sempre peggio. Grava sull’Europa l’ombra della Restaurazione; (...) gli ideali della giovinezza, i lumi, le speranze del nostro secolo decimottavo, tutto è cenere.“ [22]
Daß dies „tutto è cenere“, das Schlußwort der Geschichte im Barone rampante,eine so lastende Wirkung annimmt, liegt wohl nicht allein an seinem Kontrast zum utopischen
Idealismus der Allegorie. Der desillusionierende Effekt, der von Cosimos Biographie ausgeht, hat auch damit zu tun, daß hinter dem Datum 1820, der Gegenwart des fiktiven Erzählers, zugleich figural die Gegenwart des realen Erzählers Italo Calvino sichtbar wird: eben jenes Jahr 1957, das unter den letzten Worten des Textes expressis numeris verzeichnet ist. Wenn die Ereignisfolge des historischen Romans von der Rebellion über die Phasen des sozialen Engagements, der Aufklärung und der gescheiterten Revolution zur Restauration führte, dann wird damit auch für die geschichtliche Erfahrung des realen Erzählers eine analoge Figur geltend gemacht, die nach den Episoden des Aufstands gegen den Faschismus, der Resistenza und der mit ihr verknüpften revolutionären Projekte ebenfalls in einer unvollendeten Befreiung und in der Restauration endet. In ihr lebt die Botschaft von Cosimos Baumexistenz („Solo essendo così spietatamente se stesso come fu fino alla morte, poteva dare qualcosa a tutti gli uomini“) wohl noch als Erinnerung fort; doch hat sie ihre aktuell wirksame Kraft verloren, wenn Biagio notiert: „Ora che lui non c’è, mi pare che dovrei pensare a tante cose, la filosofia, la politica, la storia, seguo le gazzette, leggo i libri, mi ci rompo la testa, ma le cose che voleva dire lui non sono lì, è altro che lui intendeva (...)“. [23]
Demnach antwortet im Barone rampante die Geschichte des Romans auf den Optimismus seiner Al1egorie mit einem schlimmen Ende von prononciertem Pessimismus. [24] In den letzten Abschnitten der Erzählung verschwindet unter einem nunmehr „leeren“ Himmel sogar die Baumvegetation, die wesentliche Prämisse für Cosimos produktiven Abstand von der Erde, und erweist sich als ein trostlos fiktiver „ricamo fatto sul nulla“. [25] Angesichts dieses Endes, das nicht nur Violas „spinta barocca“ – wie das Nachwort der Antenati-Trilogie formuliert [26] – in eine „corsa verso il nulla“ auflöst, wird verständlich, daß im zweiten Teil des Romans alle Referenzen auf den Zeitlauf einen unübersehbar negativen Akzent tragen. So schließt sich an Biagios Bericht über seine Heirat, die Erziehung seiner Kinder und die Furcht seiner Frau vor dem ihr unheimlich scheinenden Schwager der Satz an: „Anche Cosimo cominciava ad accorgersi del tempo che passava“. [27] Dabei empfinden Protagonist und Leser statt einer abenteuerlichen Fülle erstmals die unbehagliche Leere des Zeitverlaufs: „Cosimo si faceva scontento: il senso del trascorrere del tempo gli comunicava una specie d’insoddisfazione della sua vita, del su e giù sempre tra quei quattro stecchi. E nulla gli dava più una contentezza piena, né la caccia, né i fugaci amori, né i libri“. [28] Zumal wie nach der mißlungenen Revolution in raschen Peripetien gleichsam die Weltgeschichte an Cosimo vorbeizieht, mehren sich gleichzeitig eigentümlich paradoxale Hinweise auf die Entleerung der Zeit und auf Cosimos Altem. Beispielsweise reagiert er auf die Revolutionsfolge von Napoleons Eroberungskriegen nurmehr mit rückwärtsgewandter Loyalität:
„Cosimo, testardo com’era, non voleva mai smentirsi, ed essendo stato amico dei Francesi prima, continuava a pensare di dover essere leale, anche se tante cose erano cambiate ed era tutto diverso da come s’aspettava. Poi bisogna anche tener conto che cominciava a venir vecchio, e non si dava più molto da fare, ormai, né da una parte né dall’altra.“ [29]
Das heißt: weder im politisch-sozialen noch im persönlichen Bereich bringt die Zeit dem idealen Lebensentwurf Erfüllung; als erbarmungslos utopiefeindliche Macht bedeutet sie vielmehr Verfall auch für die „vocazione del poeta, dell’esploratore, del rivoluzionario“. Bezeichnenderweise setzt gerade das vorletzte Kapitel, in dem durch Tolstois Fürst André Bolkonski das Versiegen aller revolutionären Hoffnungen bestätigt wird, [30] mit einem Satz ein, der Cosimos Biographie ebenso der Auflösung preisgibt wie den progressiven Sinn einer Geschichte, die sich als Befreiung versteht: „La gioventù va via presto sulla terra, figuratevi sugli alberi, donde tutto è destinato a cadere: foglie, frutti. Cosimo veniva vecchio“. [31] Und wie er inmitten der „rivolgimenti“, welche nichts voran bewegen, weiter auf seinen Bäumen ausharrt, wird die melancholische Frage gestellt: „Cos’aspettava? Napoleone l’aveva visto, la Rivoluzione sapeva com’era finita, non c’era più da attendersi che il peggio“. [32]
Somit gewinnt der Roman Il barone rampante seine eigentümliche Form durch einen überaus scharfen Bruch zwischen der optimistischen Heiterkeit dessen, was sich als seine Allegorie interpretieren läßt, und der pessimistischen Desillusionierung, auf die zum Schluß hinausläuft, was die Ereignisfolge seiner Handlung ausmacht. Offenkundig entspricht dieser Bruch einer Gedankenfigur, welche in den fünfziger Jahren bei der italienischen Linken besondere Resonanz fand: jener Formel von der Komplementarität eines „Pessimismus des Intellekts“ und eines „Optimismus des Willens“, die man bei Gramsci lesen konnte und die über Romain Rolland auf Friedrich Nietzsche zurückgeht. [33] Eben diese Formel steht nun aber auch im politisch-poetologischen Mittelpunkt des Vortrags Il midollo del leone,mit dem Calvino im Jahre 1955 zum ersten Mal nachdrücklich die Ansprüche der eigenen Poetik formuliert hatte:
„In un articolo di Gramsci abbiamo trovato, citata da Romain Rolland, una massima di sapore stoico e giansenista adottata come parola d’ordine rivoluzionaria: ‹pessimismo dell’intelligenza, ottimismo della volontà› .“ [34]
Dabei ist für Calvinos theoretische Position, wie er sie zwei Jahre vor der Veröffentlichung des Barone rampante umreißt, charakteristisch, daß er unter den beiden Komponenten von Gramscis Maxime eindeutig den „Optimismus des Willens“ betont. Jedenfalls fährt er an der zitierten Stelle des Vortrags – sicherlich durchaus im Sinne Gramscis – fort:
„La letteratura che vorremmo veder nascere dovrebbe esprimere nella acuta intelligenza, del negativo che ci circonda la volontà limpida e attiva che muove i cavalieri negli antichi cantari o gli esploratori nelle memorie di viaggio settecentesche.“
Aus einer solchen Position erwächst vor allem eine mitunter emphatische Exaltation des Individuums als eines erkennenden und verantwortlich entscheidenden Subjekts, wie es idealtypisch der „positive Held“ Cosimo darstellt:
„Intelligenza, volontà: già proporre questi termini vuol dire credere nell’individuo, rifiutare la sua dissoluzione. E nessuno più di chi ha imparato a porre i problemi storici come problemi collettivi, di masse, di classi, e milita tra coloro che seguono questi principi, può oggi imparare quanto vale la personalità individuale, quanto è in essa di decisivo, quanto in ogni momento l’individuo è arbitro di sé e degli altri, può conoscerne la libertà, la responsabilità, lo sgomento.“
Die Erzählform, welche dies Postulat des erkenntnisstarken und moralisch autonomen Subjekts suggeriert, ist folgerichtig ein Genus von „romanzi d’azione“; denn „ciò che ci interessa sopra ogni altra cosa sono le prove che l’uomo attraversa e il modo in cui egli le supera“. Deshalb situiert Il midollo del leone Calvinos Lieblingsautoren zwischen dem Robinson Crusoe und der Chartreuse de Parme speziell in der Literatur der (hier recht weit gefaßten) Aufklärung:
„I classici che più ci stanno oggi a cuore sono nell’arco che va da Defoe a Stendhal, un arco che abbraccia tutta la lucidità razionalista settecentesca. Vorremmo anche noi inventare figure di uomini e di donne pieni d’intelligenza, di coraggio e d’appetito, ma mai entusiasti, mai soddisfatti, mai furbi o superbi.“
Impliziert wird durch das Plädoyer für die „lucidità razionalista settecentesca“ eine Distanznahme von dem, was wenig später – von Kafka über Camus, Sartre, T.S. Eliot bis Hemingway – als Inbegriff der zeitgenössischen Literatur erscheint: „tutta quella montagna di letteratura del negativo che ci sovrasta, (...) quella letteratura di processi, di stranieri, di nausee, di terre desolate e di morti nel pomeriggio“. [35]
Wie Calvino im Jahr 1958 beim Vortrag Natura e storia nel romanzo auf Gramscis Formel zurückkommt, wird das Konzept einer „letteratura del negativo“ weiter präzisiert. Beispielfigur der „lucidità razionalista settecentesca“ ist hier Voltaire, der die Gedankenfigur „Pessimismus des Intellekts, Optimismus des Willens“ gewissermaßen vorwegnimmt:
„Nel Settecento, Voltaire, partendo da un totale pessimismo oggettivo, da una nozione di natura e di storia non illuminate dal raggio di alcuna provvidenza, aveva posto le basi d’un ottimismo soggettivo, fiducioso nelle sorti della battaglia ingaggiata dalla ragione umana.“ [36]
Nach Voltaire beginnt das aufklärerische Gleichgewicht von „pessimismo oggettivo“ und „ottimismo soggettivo“ jedoch zu zerfallen:
„Dopo di lui, il pessimismo delle cose corrode sempre di più i margini di questo ottimismo della ragione, rende la posizione dell’uomo sempre più precaria.“ [37]
Zu Zentralmotiven, die insbesondere die große Erzählkunst der Moderne prägen, werden seitdem die Konsequenzen des „pessimismo delle cose“: „La sconfitta, la vanità della storia, l’impossibilità di comprendere la vita in uno schema razionale“ [38] , Motive, welche Calvino 1959 dann in dem Begriff des „mare dell’oggettività“ zusammenfaßt. Auch für die Wirkungen des „pessimismo delle cose“, der alle Distanz, Erkenntnis und gesellschaftsverändernde Praxis im „Meer des Objektiven“ untergehen läßt, weiß Calvino in den fünfziger Jahren einen symbolischen Repräsentanten namhaft zu machen. Es handelt sich um Flaubert, auf dessen Romane Calvino zeit seines Lebens mit einer Empfindung tiefster Faszination und zugleich geheimen Widerwillens reagiert zu haben scheint: im übrigen wäre diese Beziehung eine genauere textanalytische Untersuchung wert.
Mit Flaubert setzt nach Calvino jene Narrativik ein, die in der „vanità della storia“ auch die Niederlage und schließlich die prinzipielle Vergeblichkeit jedes aktiven humanen Eingriffs zeigt. Auf jeden Fall sieht Calvino von diesem – wenn man so will – geschichtsnihilistischen Befund im Jahr 1959 die Literatur, ja die gesamte Kultur seiner Gegenwart bestimmt, wenn er schreibt:
„Da una cultura basata sul rapporto e contrasto tra due termini, da una parte la coscienza la volontà il giudizio individuale e dall’altra il mondo oggettivo, stiamo passando o siamo passati a una cultura in cui quel primo termine è sommerso dal mare dell’oggettività, dal flusso ininterrotto di ciò che esiste.“ [39]
Angekündigt hat sich der Befund, nach dem „Natur und Geschichte eine einzige ungeschiedene Entität“ sind, „un solo flusso solenne e spietato, cui è vano opporsi attivamente“ [40] , indes schon in Flauberts Romanen, von denen es heißt:
„È un fatto che quando con Flaubert la letteratura realistica tocca la sua punta massima di fedeltà ai dati dell’esperienza, il senso che ne risulta è quello della vanità del tutto.“ [41]
Seit Flaubert werden immer wieder Romane geschrieben, in denen nicht mehr „le azioni e le passioni umane“ als „bewegende Kraft der Erzählung“ wirken, sondern – selbst bei so verschiedenartigen Werken wie Vergas Malavoglia und Prousts Recherche – „l’impalpabile fluire della vita“, ein „unfaßbarer Fluß des Lebens“, der Ich und Bewußtsein in sich auflöst: „In questo fluire che è natura e storia insieme, l’individualità umana si sommerge, perde i contorni che la separano dal mare dell’altro“. [42]
Eben dieser „Fluß des Lebens“, in dessen bewußtseinsauflösender Gewalt Calvino das wesentliche Moment einer „letteratura del negativo“ erblickt, manifestiert sich nun aber auch durch den Schlußteil des Barone rampante in einem Ausmaß, das angesichts der gleichzeitigen essayistischen Stellungnahmen etwas Überraschendes hat. Auch der positive Held, der dem „fluire della vita“ in der vorbildlichen Haltung einer „ostinazione nonostante tutto“ zu widerstehen sucht, [43] unterliegt am Ende der korrosiven Kraft, die das „trascorrere del tempo“ ausübt. Das heißt: Je länger die Erzählung, die anfangs Distanz und Widerstand gegenüber dem „mare dell’oggettività“ feiert, Cosimos Biographie verfolgt, um so mehr nähert sie sich dem, was sie ursprünglich – nicht ohne heroisch-voluntaristische Töne – zu bannen meinte: der Flaubertschen Grunderfahrung von der „vanità del tutto“. Dabei ist die Annäherung sogar an der Evidenz offenkundiger lexikalisch-semantischer Übereinstimmungen zu erkennen. Wenn sich Cosimos Welt der Bäume, Äste und Zweige in den letzten Sätzen als „ricamo fatto sul nulla“ enthüllt, evoziert diese Wendung unverkennbar die Beschreibung, die Calvino von der Romanwelt Flauberts insgesamt gibt:
„Dopo aver accumulato minuziosi particolari e costruito un quadro di perfetta verità, Flaubert ci batte sopra le nocche e mostra che sotto c’è il vuoto, che tutto quel che succede non significa niente.“ [44]
Und noch eklatanter wirkt die Affinität zwischen dem „tutto è cenere“, das im Barone rampante den Verlust aller aufklärerischen Hoffnungen besiegelt, und Calvinos Charakteristik der Education sentimentale:
„La terribilità di quel grande romanzo che è L’éducation sentimentale consiste in questo: per centinaia e centinaia di pagine vedi scorrere la vita privata dei personaggi o quella pubblica della Francia, finché non senti disfarti tutto sotto le dita come cenere.“ [45]
An der „Schrecklichkeit“ der Literatur des Negativen“ hat demnach bei Calvino selbst jene Erzählung Anteil, die sich als allegorische Konstruktion am stärksten um die Distanz eines erkennenden und ordnenden „discorso etico-poetico“ bemüht. Wo im Sinne von Calvinos Essayistik der „Optimismus des Willens“ und mit ihm das „momento (...) della non accettazione della situazione data, dello scatto attivo e cosciente, della volontà di contrasto, della ostinazione senza illusioni“ vorherrschen sollte [46] , erhält – zumindest in der syntagmatischen Dimension – auf irritierende Weise der „Pessimismus des Intellekts“, ja die Realität eines „mare dell’oggettività“ das letzte Wort. Aufschlußreich wirkt dabei der Umstand, daß Calvino gerade dies Verhältnis zwischen den Grundbegriffen seiner Poetik auch auf das Werk anderer Autoren projiziert, es dort beschrieben und diskret kritisiert hat. So spricht er einmal bezüglich der Romane Cassolas und Bassanis von einem Kontrast zwischen dem „episch-tragischen Element“ der „tensione morale che la Resistenza ha rappresentato nelle esistenze individuali e nella storia collettiva“ und dem „lyrisch-elegischen Element“ des „tempo che tutto seppellisce, addormenta, cancella“, um dann in kritischer Distanzierung hinzuzufügen: „ed è questo secondo elemento il vero vincitore“. [47] Nun sind Calvinos Texte – und nicht allein der Barone rampante – von den Romanen Cassolas oder Bassanis in Wahrheit weit entfernt; doch verrät die Assimilation des Fremden an die Kategorien der eigenen Poetik selbst bei einem hermeneutisch so reflektierten Leser wie Calvino die Konstanz bestimmter Obsessionen. Sie gelten tatsächlich der „moralischen Anspannung“ eines subjektiven Erkenntnis- und Ordnungswillens, welcher gerade deshalb so unablässig beschworen wird, weil Calvino ihn durch die wachsende Macht einer ozeanartigen „Objektivität“, zu der auch die alles „begrabende“ und nivellierende „Zeit“ gehört, mehr und mehr gefährdet sieht:
Das Bild vom Untergang (der „Submersion“) des Ich im „mare dell’oggettività“, das diesem Calvinoschen Hauptmotiv entspricht, haben wir bereits an zwei Stellen zitiert: einmal bei der Betrachtung des „unfaßbaren Lebensflusses“ im realistischen Roman („in questo fluire [...] l’individualità umana si sommerge“), ein zweites Mal bei der Charakteristik einer neuen Kulturphase, in der „Bewußtsein, Wille, individuelles Urteil“ einerseits und „objektive Welt“ andererseits nicht länger in produktivem Abstand zueinander stehen („una cultura in cui quel primo termine è sommerso dal mare dell’oggettività“). Indes erscheint das Bild, das sich erst durch seine Frequenz als thematische Obsession erweist, noch mehrfach, selbst im engen Rahmen ein- und desselben Aufsatzes. So heißt . es über die literarische Diskussion in der Zeit des spanischen Bürgerkriegs und des zweiten Weltkriegs:
„La perdita dell’io, la calata nel mare dell’oggettività indifferenziata, fu proprio allora, vent’anni fa, sperimentata per la prima volta, da Sartre, nella Nausée,ma era una discesa agli inferi.“ [48]
Nachdem Calvino die Kunst der historischen Avantgardebewegungen – „Expressionismus, Joyce, Surrealismus“ – als unbegrenzte Ausweitung der Subjektivität definiert hat, befindet er über die ihm kontemporäre Avantgarde: „Ora è il contrario: è l’oggettività che annega l’io“. [49] Und drei Jahre später, 1962, warnt er vor dem neuen Kult der Unmittelbarkeit, wie ihn die „Beat Generation“ pflegt:
„II nuovo individualismo approda a una perdita completa dell’individuo nel mare delle cose; la dilatazione dell’io mira, attraverso il buddismo beat, la sensualità diffusa, le esperienze mistico-stupefacenti, alla perdita dell’opposizione dialettica tra soggetto e oggetto.“ [50]
Wann immer dies Bild vom Untergang des Individuums evoziert wird, ist es also mit der Vorstellung eines Verlustes verbunden, der schon frühzeitig Konnotationen des Katastrophenhaften, ja des Apokalyptischen annimmt. Er bedeutet die Unmöglichkeit, das Verhältnis von Subjekt und Objekt weiterhin als „dialektischen Widerspruch“ zu denken; damit macht er (so bereits 1959) eine „Krise des revolutionären Bewußtseins“ manifest [51] , hinter der das Ende aller Praxis und aller Geschichte droht: „Se il tutto diventa metro e ragione dell’uno, se la ragione dell’universo trionfa su quella dell’uomo, è la fine del fare, della storia“. [52] Geht die Instanz des erkennenden Ich verloren, bleibt – wie Calvino 1962 formuliert – nur noch die „soggezione biologica“ oder die „soggezione industriale“, die Auslieferung an die blinden Impulse oder an die Raison technologischer Systeme; [53] kurz: die „resa al labirinto“. Derart zeigt sich in einem weiteren Kontext, worauf die Allegorie von Distanz, Erkenntnis und eingreifender Praxis im Barone rampante eigentlich hinauswollte. Sie stand für nichts Geringeres als eine Literatur der Sfida al labirinto,Calvinos „obstinate“, möglicherweise auch forcierte Herausforderung jener anderen Literatur einer „resa al labirinto“, deren Begriff 1962 wohl schon ebenso auf die Texte von Borges wie auf die von Flaubert gemünzt war. [54]
Der Aufsatz Il mare dell’oggettività,den man als Calvinos vielleicht entschiedenste poetologlsche Stellungnahme betrachten kann, endete mit dem Postulat einer „letteratura della coscienza“. Sie bildete Ende der fünfziger Jahre sozusagen Calvinos Zukunftsprojekt, das die „letteratura dell’oggettività“ überwinden und dem Leser, den etwa RobbeGrillets „Nouveau Roman“ „hilflos“ an das „labirinto delle cose“ auslieferte, [55] helfen sollte, wie Cosimo Abstand von der geschichtlichen Unmittelbarkeit zu gewinnen und sich ihr gegenüber verschieden zu erklären: „riacquistare il distacco storico, dichiararsi diverso e distinto dalla materia in ebollizione“. [56] Dazu war freilich neben dem Optimismus des bloßen Willens ein „schema razionale“ nötig, dessen Bewußtsein dem Leben Gestalt und der Geschichte Sinn zu geben vermag. Und in der Tat läßt sich Calvinos weitere schriftstellerische Laufbahn, so vielseitig sie bei diversen literarischen Figuren auch immer wieder neu ansetzen mochte, als zunehmend verzweifelte Suche nach einem solchen „schema razionale“ begreifen, welches der „vanità della storia“, der Flaubertschen „éternelle misère de tout“, [57] standhalten oder ihr zumindest entgegenwirken konnte. Versuche, solche Ordnungen zu konstruieren, waren beispielsweise der Entwurf einer „immagine cosmica“ [58] in den Cosmicomiche und Ti con zero oder – auf formaler Ebene – die elaborierten Strukturschemata von Büchern wie Le città invisibili oder Se una notte d’inverno un viaggiatore.
Dabei ist bezeichnend, daß selbst Palomar noch über eine „nota classificatoria“ verfügt, die am Ende vorgibt, den Stücken des vorausgehenden Textes eine transparente Ordnung zu verleihen. [59] Indessen hat Calvino in einem Gespräch eingeräumt, daß zumindest dies letzte „schema razionale“, mit dem er sich aus dem „Meer der Objektivität“ zu erheben versucht, keine wirklich gliedernde und distanzierende Kraft mehr besitzt:
„Questa nota classificatoria con i numeri potrebbe essere anche superflua. Non c’era nessun bisogno di metterla. Però c’è un aspetto di me stesso che si va accentuando con l’età, il bisogno di fare delle cose sistematiche. È una mia mania e quindi prendetela come tale. Se ad un certo punto non mi faccio uno schema che in qualche modo mi da l’illusione di aver fatto una macchina perfettamente razionale, non sono contento.“ [60]
Viel spricht dafür, daß die „macchina perfettamente razionale“, als welche der „Index“ den Text deutet, hier lediglich simuliert und in der Tat zur „Illusion“ geworden ist. Und wie könnte das bei einem Text anders sein, der sich schon in seinem ersten Kapitel gleichsam als Resignation vor dem „mare dell’oggettività“ einführt?
Gelang es Cosimo, die Welt aus dem Abstand der Bäume – wie es hieß – „gut zu betrachten“, [61] so scheitert Palomar bereits an der „operazione visiva“, die zum Ziel hat, das Meer in einzelne Wellen zu unterteilen. Immer noch geht es offenkundig um eine „sfida al labirinto“; doch bricht der Optimismus des Willens, der im Barone rampante erst spät vom Pessimismus des Intellekts überwältigt wurde, jetzt serienartig bei jedem der zahlreichen Beobachtungsexperimente zusammen. Hatte Calvino den Barone rampante einst gegen die Education sentimentale angeschrieben, [62] ist er nun, so unbehaglich ihm Flaubert nach wie vor erscheinen mag, [63] gewissermaßen bei Bouvard et Pécuchet angelangt, und wie sich Flauberts traurige Enzyklopädisten in den Diskursen, deren Erfahrung sie machen, schließlich quasi auflösen, erfährt auch Herr Palomar die Ohnmacht, ja die Inexistenz seines Ich. Wo früher dem Ich heroische Erkenntnisleistungen zugemutet wurden, nimmt Calvino in den letzten Kapiteln des Palomar nur noch ein substanzloses Medium wahr, durch das die Welt die Welt betrachtet. Jedenfalls ist das die Antwort, die Herr Palomar erhält, als er nach der Rolle dessen, was man „Ich“ nennt, bei der Perzeption fragt:
„E lui, detto anche „io“, cioè il signor Palomar? Non è anche lui un pezzo di mondo che sta guardando un altro pezzo di mondo? Oppure, dato che c’è mondo di qua e mondo di là della finestra, forse l’io non è altro che la finestra attraverso la quale il mondo guarda il mondo.“ [64]
Die gleiche Antwort wiederholt sich in noch radikalerer Formulierung am Ende des Stücks L’universo come specchio,wenn Herr Palomar, um mit sich und der Welt ins Reine zu kommen, den Blick auf die eigene Seelenlandschaft richtet. Dort folgt auf die erwartungsvolle Frage „Contemplerà una sfera di circonferenza infinita che ha l’io per centro e il centro in ogni punto?“ eine Replik, welche als Ansicht der Introspektion eben das enthüllt, was Palomar schon täglich in der Außenwelt zu sehen meint: [65] „vie piene di gente che ha fretta e si fa largo a gomitate, senza guardarsi in faccia, tra alte mura spigolose e scrostate. In fondo, il cielo stellato sprizza bagliori intermittenti come un meccanismo inceppato, che sussulta e cigola in tutte le sue giunture non oliate, avamposti d’un universo pericolante, contorto, senza requie come lui“. [66]
Durch die spiralförmige Folge eines Ich, das wie die Außenwelt ist, die wiederum so chaotisch wie das Ich ist, bildet sich hier genau jener Tatbestand ab, den die frühen Aufsätze in das Bild vom undifferenzierten abstandlosen „Meer des Objektiven“ faßten. Damit scheint das Projekt engagierter Distanz im „mare dell’oggettività“, das es bannen sollte, tatsächlich untergegangen zu sein, und die geheime Palinodie, welche der Schlußteil des Barone rampante erst andeutete, ist am Ende des Calvinoschen Werks wohl zur bedrückenden Evidenz geworden.
Di Italo Calvino „si sa che è un autore che cambia molto da libro a libro“ (I. Calvino, Se una notte d’inverno un viaggiatore,Torino 1979, p.9). Nondimeno, l’evidente „mutevolezza dell’opera calviniana“ (M. Barenghi) presenta solo un aspetto della sua realtà: un altro forse più profondo viene costituito dalla persistenza di nuclei tematici in larga misura identici nei primi e negli ultimi testi. Emblematico appare sotto questo punto di vista Il barone rampante,romanzo un po’ trascurato dalla critica, magari perché considerato di troppo facile lettura. In verità, la struttura assai complessa del romanzo è marcata da una forte tensione tra la sua componente allegorica – l’immagine di un impegno esemplare – e la sua componente storica – l’immagine di una disillusione altrettanto esemplare. Tale tensione può essere letta come una sorta di traduzione romanzesca della famosa formula gramsciana (derivata da Romain Rolland e, in ultima analisi, da Nietzsche): „pessimismo dell’intelligenza, ottimismo della volontà“.
Ora, il saggio sostiene che quella massima gramsciana ha assunto un’importanza cruciale per la formazione e lo sviluppo della poetica di Calvino. Da qui risultano, dal canto dell’ottimismo della volontà, il progetto di una „letteratura della coscienza“, dal canto del pessimismo dell’intelligenza, la consapevolezza di un „mare dell’oggettività“ in cui la coscienza è sommersa „dal flusso ininterrotto di ciò che esiste“. Se l’iter calviniano fra questi due poli può essere descritto come una progressiva perdita dell’ottimismo della volontà, il prevalere del pessimismo dell’intelligenza implica l’avvicinamento a una poetica flaubertiana, per Calvino da sempre oggetto di manifesta avversione e di segreto fascino. Così, lo stesso Barone rampante,pur concepito come netto rifiuto di una „letteratura del negativo“, si trasformava nella sua parte storica in una Education sentimentale italiana, mentre le disavventure intellettuali di Palomar vengono svolte, anche per quanto guarda la loro composizione seriale, nel registro di un disincantato „comique d’idées“ particolare a Bouvard et Pécuchet.
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1 Vgl. „L’io diviso di Italo Calvino“, Belfagor 42 (1987), 509–531, hier 527.
2 Vgl. Italienisch 16 (1986), 82–88;auf diese Kontroverse bezieht sich meine Stellungnahme „Palomars Introspektion“, Italienisch 18 (1987), 38–43.
3 Vgl. Quaderni Piacentini 15 (1984), 127–150.
4 Vgl. „L’io diviso“, bes. 510:„Certo, Calvino era abitato da un’inquietudine, una nevrosi insanabile“, und 530:„L’alacrità dell’immagine che dava di se stesso era soltanto il rovescio d’una solitudine contristata, quasi da esule in luogo straniero“.
5 Vgl. ebda., 519.
6 Vgl. U. Schulz-Buschhaus, „Kriminalroman und Post-Avantgarde“, Merkur 41 (1987) Nr. 458, 287–296, bes. 289 f.
7 Vgl. dazu die Hinweise des Selbstkommentars, den Italo Calvino – anagrammatisch in den „meticoloso docente e pedagogista“ Tonio Cavilla verwandelt – für eine Schulausgabe des Barone rampante verfaßt hat (I. Calvino, Il barone rampante,Prefazione e note di Tonio Cavilla, 4Torino 1965, 6 ff.).
8 Vgl. dazu etwa den perspektivenreichen Aufsatz von Peter Kuon, „Utopie-Kritik und Utopie-Entwurf in Le città invisibili von Italo Calvino“, Italienische Studien 10 (1987),133–148,wo Calvinos Poetik einmal treffend als „Schule der Wahrnehmung“ charakterisiert wird (ebda. 145).
9 So verurteilte beispielsweise Alberto Asor Rosa im Barone rampante die „arabeschi inutili“ einer „troppo facile e feconda e narcisistica immaginazione“, das heißt: eine „verantwortungslose“ Kür, die mit der ernsten Pflicht des „Klassenkampfes“ nicht Schritt zu halten wüßte („Calvino dal sogno alla realtà“, Mondo Operaio,Supplemento scientifico-letterario, Marzo–Aprile 1958, 3–11). Vgl. dazu die informative (und teils überraschende) Übersicht von Luca Marighetti, „Calvino difficile: Saggio di estetica della recezione 1947–1985“, Italienische Studien 10 (1987), 203–211,hier 205.
10 Vgl. U. Schulz-Buschhaus, „Calvinos politischer Roman vom Baron auf den Bäumen“, Romanische Forschungen 90 (1978), 17–34.
11 Il barone rampante, pref. T. Cavilla, 5.
12 Ebda., 10.
13 Vgl. I. Calvino, I nostri antenati,Torino 1960,357.
14 Vgl. I. Calvino, Il barone rampante,14Torino 1970,77.
15 Vgl. I nostri antenati,358.
16 Ebda., 360.
17 Il barone rampante,166.Die Permanenz der Thematik von Wahrnehmung und Beobachtung im Werk Calvinos läßt sich im übrigen durch eine von der Argumentationsstruktur her verwandte, Episode der Città invisibili belegen. In ihr fragt Kublai Kan: „Perché ti trastulli con favole consolanti? So bene che il mio impero marcisce come un cadavere nella palude (...). Perché non mi parli di questo?“, und erhält darauf von Marco Polo zur Antwort: „(...) Se vuoi sapere quanto buio hai;+ intorno, devi aguzzare lo sguardo sulle fioche luci lontane“ (I. Calvino, Le città invisibili,2Torino 1972, 65).Zur poetologischen Bedeutung dieses Arguments vgl. P. Kuon, „Utopie-Kritik“, 148.
18 I nostri antenati, 360.
19 Vielleicht ist er deshalb auch den hellsichtigeren Kritikern entgangen. So bemerkt Aurore Frassin-Marin hinter der Gestalt des aufklärerischen Barons zwar „la figure démocratiquement aristocratique de l’intellectuel de gauche de cette deuxième moitié du XXe siècle qui vit et résoud symboliquement les contradictions existant entre la ‹distance› de sa condition et son besoin d’‹engagement› „, um daraus treffend zu folgern: „C’est donc résolument dans la dimension historique – contre les apparences – que se déroule l’ascension de Cosimo“ (Italo Calvino et l’imaginaire,Genève–Paris 1986, 50 f.),sieht dann aber letztendlich doch die gesamte Erzählung undifferenziert von der Tonalität eines – durch die „Distanz“ bedingten – „humour“ geprägt.
20 Vgl. ll barone rampante,234.
21 Das nicht explizit angegeben, aber leicht zu erschließen ist (vgl. U. Schulz-Buschhaus, „Calvinos politischer Roman“, 29).
22 Il barone rampante,243.
23 Ebda.
24 Dieser Pessimismus lichtet sich auch nicht durch die besonders von A. Frasson-Marin betonte zweite „image ascensionnelle“ des „envol dans les airs“ (vgl. Italo Calvino et l’imaginaire,37); denn genaugenommen bezeichnet der scheinbare „envol“ ja nichts anderes als eine „chute“, überdies einen Sturz ins Meer (der „Objektivität“?): man sieht Cosimo „sparire verso il mare“; der Luftballon „landet am anderen Ufer“, und vor allem: „Si suppose che il vecchio morente fosse sparito mentre volava in mezzo al golfo“ (Il barone rampante,246).Zu den aufklärerisch-revolutionären Konnotationen des „Kollektivsymbols“ Luftballon (Montgolfière), an welche Calvino hier erinnert, vgl. J. Link, Elementare Literatur und generative Diskursanalyse,München 1983, 48–71, sowie ds., „Literaturanalyse als Interdiskursanalyse“, in: J. Fohrmann – H. Müller (Hrsg.), Diskurstheorien und Literaturwissenschaft,Frankfurt 1988, 284–307, bes. 289. Dabei ist für die Stimmung des Romanschlusses, das heißt: der Jahre 1820 beziehungsweise 1957, symptomatisch, daß die „mongolfiera“ – „presa da una girata di libeccio“ – vom Erzähler im Zustand desorientierter Richtungslosigkeit und schließlich beim mühevollen Landen beobachtet wird.
25 Vgl. Il barone rampante,247.
26 Vgl. I nostri antenati, 357.
27 Il barone rampante, 169.
28 Ebda. Das „scorrere inutile del tempo“ zu „erzählen“, wird dann nach Spinazzola Calvinos letzten „Widerstand“ gegen ein „vuoto universale“ bilden (vgl. „L’io diviso“, 531).
29 Il barone rampante, 234.
30 „Alla melanconica vecchiaia di Cosimo risponde la melanconica giovinezza del Principe Andréj“, lautet dazu der Kommentar Tonio Cavillas (Il barone rampante,pref. T. Cavilla, 236).
31 Il barone rampante, 237.
32 Ebda.
33 Vgl. dazu die Notiz von Henning Ritter, „Tanz ohne Ketten“, Frankfurter Allgemeine Zeitung 280 (3. Dezember 1986), 33.
34 I. Calvino, Una pietra sopra – Discorsi di letteratura e società,Torino 1980, 15. Dem (Abschnitt 14, den dieser Satz einleitet, entstammen ebenfalls die folgenden Zitate.
35 Vgl. ebda., 17.
36 Ebda., 25.
37 Ebda.
38 Ebda.
39 Ebda., 39.
40 Ebda., 42.
41 Ebda., 26.
42 Ebda.
43 Vgl. zu dieser Haltung ebda., 38; gleichfalls 45: „ostinazione senza illusioni“.
44 Ebda., 26.
45 Ebda.
46 Vgl. ebda., 45.
47 Vgl. ebda., 52.
48 Ebda., 40.
49 Ebda., 41.
50 Ebda., 92.
51 Vgl. ebda., 41.
52 Ebda., 43 f.
53 Vgl. ebda., 93.
54 Obgleich Calvino in dem Essay La sfida al labirinto immerhin noch von einem Borges spricht, „che cerca di comporre una immagine dell’universo non mistica anche se desunta da teologi e visionari“ (ebda., 95). Zu Calvinos späterer romanesker Auseinandersetzung mit Borges vgl. meinen Aufsatz „Aspekte eines Happy-Ending – Über das XII. Kapitel von Calvinos Se una notte d inverno un viaggiatore“, Italienisch 16
(1986), 68–81, bes. 74.
55 Vgl. Una pietra sopra, 44.
56 Vgl. ebda., 45; fast gleichlautend erscheint die Wendung am Ende von Natura e storia nel romanzo:„riacquistare il distacco storico, dichiararsi distinto e diverso dalla materia in ebollizione“ (ebda., 38).
57 Vgl. Flaubert, L’Education sentimentale,ed. P. M. Wetherill, Paris 1984, 325. In Flauberts Spätwerk Bouvard et Pécuchet wird diese Desillusionserfahrung dann zu einem Befund ontologischer Indifferenz zugespitzt, der weithin den Vorstellungen entspricht, die Calvino mit dem Begriff des „mare dell’oggettività“ verbindet: „égalité de tout, du bien et du mal, du beau et du laid, de l’insignifiant et du caractéristique. II n’y a de vrai que les phénomènes“ (G. Flaubert, Le second volume de Bouvard et Pécuchet,ed. G. Bollème, Paris, 57). Zur Romanliteratur, welche aus der Diffusion eines solchen Befundes erwächst, vgl. P. V. Zuna, L’Indifférence romanesque,Paris 1982, sowie ds., Der gleichgültige Held,Stuttgart 1983.
58 Vgl. Una pietra sopra, 97.
59 Zum bloßen Surrogat-Charakter der „postilla di un azzardato indice matematizzante“ vgl. :,Barenghi, „Italo Calvino...“, 148.
60 Übersetzt in: Zibaldone 1(1986), 14 f.
61 Vgl. Il barone rampante, 166.
62 Als Indiz dafür kann man neben der thematischen Verwandtschaft der Revolutionsepisoden noch den Umstand ansehen, daß es in der Education sentimentale auch eine detaillierte Beschreibung der „diversité des arbres“ (der Forêt de Fontainebleau) gibt, die der Baumenzyklopädie des, Barone rampante wiederum thematisch, doch nicht in ihrem spezifischen Ton, durchaus nahen kommt (vgl. L’Education sentimentale,327 f.).
63 Vgl. dazu etwa die Interview-Äußerung in Zibaldone 1 (1986), 15.
64 I. Calvino, Palomar,Torino 1983, 116.
65 Vgl. zur Interpretation dieses intrikaten Abschnitts U. Schulz-Buschhaus, „Palomars Introspektion“, 40 f. Ungenau erfaßt wird die Pointe des Stücks L’universo come specchio meines Erachtens von Luisa Guj, „The Loss of the Self: La Selva Oscura of Mr. Palomar“, Modern Language Revier 82 (1987), 862–868, hier 867 f.
66 Palomar,122.
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