Jonathan Kersten an Hugo Schuchardt (02-05521)

von Jonathan Kersten

an Hugo Schuchardt

Paramaribo

02. 06. 1882

language Deutsch

Schlagwörter: language Saramakkanischlanguage Niederländischlanguage Englischbasierte Kreolsprachen (Surinam)language Portugiesisch (Surinam) Weygandt, G. C. (1798) Vegt, A. Helmig van der (1844) Schuchardt, Hugo (1914) Herlein, J. D. (1718) Wullschlägel, Heinrich Rudolf (1856) Wullschlägel, Heinrich Rudolf (1854)

Zitiervorschlag: Jonathan Kersten an Hugo Schuchardt (02-05521). Paramaribo, 02. 06. 1882. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9202, abgerufen am 07. 06. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9202.


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Paramaribo d. 2. Juni 1882.

Verehrter Herr.

Endlich ist es mir gelungen, die zwei gewünschten Bücher: Gemeenzaame leerwijze1 und Proeve eener handleiding2 zu finden und schicke sie heute ab, das erstere recommandirt. Ich fürchte nur, daß mein dafür gezahlter Preis Ihnen zu hoch erscheinen wird. Ich fand das Buch zuerst in der öffentlichen Bibliothek, aber es gelang mir nicht, es durch mündliches Nachfragen sonst irgend wo aufzutreiben. Darum annoncirte ich in zwei hier erscheinenden Zeitungen, u. es dauerte auch nicht lange, so bat mir ein Jude dasselbe zum Kauf an, zuerst für fl. 25. Allmählich ging er auf fl. 15 herunter u. da ich nach längerem Warten keine andren Anerbietungen bekam, so griff ich zu u. zahlte ihm fl. 15. Dazu kommen aber noch die Annoncen in den Zeitungen, die fl. 6 betragen, sodaß ich Ihnen das Buch für fl. 21 zusenden kann. Ich habe lange geschwankt, ob ich so hoch gehen sollte, aber da Sie mir in Ihrem 1. Brief geschrieben hatten, daß Sie einen hohen, wenn auch nicht exorbitanten Preis dafür zahlen wollten, so glaubte ich mich dazu berechtigt. Ich denke exorbitant ist der Preis nicht. Dafür ist es mir möglich, Ihnen das andre Buch mit dem inliegenden Traktat für 1 fl. zu überlassen.

Schuman[n]s Wörterbuch über die Saramakka-Sprache3 ist abgeschrieben, aber noch nicht gründlich nachgesehen. Die fl. 20 habe ich richtig erhalten. Ich weiß noch nicht, ob ich das Manuskript unter Kreuzband werde schicken können, sonst geht es mit einem befreundeten Schiffskapitän nach Zeist u. von da an meinen Schwiegervater. 4Soviel ich jetzt Ihre Wünsche kenne, wird dieses Wörterbuch Ihnen am meisten wichtig u. nützlich sein, dagegen fürchte ich fast, daß Sie über die Gemeenzaame leerwijze etwas enttäuscht sein werden. Soll ich noch mehr Exemplare ankaufen, wenn mir noch einige angeboten werden sollten? Vielleicht für das Stück nicht über 2 ½ Gulden.

Die Apostelgeschichte in der Saramacca-Sprache ist der Abschreiber bereit für fl. 7 ½ abzuschreiben. Es sind 58 Quartseiten.

Schuman[n]s Wörterbuch der Neger-Engl. Sprache 1783 ist sehr voluminös, u. es wird sich kaum Jemand willig finden, es abzuschreiben, |2| außer für einen hohen Preis. Es hat 205 Seiten, aber die Schrift ist schon recht undeutlich u. verwischt. Ich habe die Seite 99 von diesem Buch für Sie abgeschrieben. Ich weiß nicht genau, ob Sie das gewünscht haben, denn ich verstehe die betreffende stelle Ihres Briefes nicht. Sie schreiben da: „Auch eine Probe von d. Schumann’schen Negerengl. Wörterbuch (etwa ein Buchstabe) von 1783 würde mir gute Dienste leisten.“ –

Soll ich das Buch: Beschrijvinge van de volkplantige Zuriname 1718 durch Annonciren in den Zeitungen suchen? 5Ich möchte Sie dann aber um d. genauen Titel bitten. Ist plantige richtig geschrieben?

Sie fragen mich nochmals über das: editio tertia. Ich dachte, sie nähmen an dem tertia Anstoß, es scheint mir aber jetzt mehr das Wort editio zu sein. Ich denke, der Ausdruck erklärt sich dadurch, daß früher solche von einem sprachkundigen Missionar zusammengestellte Werke von den übrigen Missionaren abgeschrieben werden mußten. Das war dann gleichsam eine editio u. ersetzte etwas den Druck. So haben wir noch viele gleichlautende Evangelien-Harmonien handschriftlich in unsrem Archiv.

Ueber die Sprachverhältnisse unsrer Colonie nach ihrem gegenwärtigen Bestand u. ihrer geschichtlichen Entwickelung bin ich ebenfalls noch ziemlich im Unklaren u. weiß nicht viel mehr darüber, als im Wullschlägel steht. 6Doch will ich versuchen, in den nächsten Monaten Ihnen etwas darüber aufzusetzen. So viel kann ich nur schon jetzt bemerken: die Sprache der Stadtneger nähert sich immer mehr dem Holländischen, oder nimmt einzelne Holländische Worte auf. Die Plantagenneger bewahren das Negerenglische getreuer, aber der Unterschied fängt schon an aufzufallen. Die Buschneger sprechen unter sich das Negerportugiesisch oder wie man es nennen mag, jedenfalls einen Dialekt, den wir Missionare u. selbst die Stadtneger eigentlich nicht mehr verstehen. Sie selbst aber verstehen das Negerenglisch der Städter ganz gut, u. wir predigen bei ihnen nur Negerenglisch. Sie können es auch meistens sprechen, aber schlecht, weßhalb sie von den Stadtnegern ausgelacht werden. Alle Buschneger, sowohl an der oberen Saramacca als auch an der oberen Suriname, Commewijne u. Cottika7 sprechen ziemlich dasselbe Negerportugiesisch. Die Kulis lernen das Negerenglische schwer, und die Plantagenbesitzer müssen sich häufig Dolmetscher halten. Die, welche ganz hierbleiben, lernen es aber doch, und manche sind auch von uns getauft u. negerenglisch unterrichtet worden. |3| 2. Von allen diesen Schriften können Sie veröffentlichen und drucken lassen, was Sie für gut finden. Der Jude Ballin, 8der mir die Gemeenzaame leerwijze verkaufte, hat mir die Bedingung gestellt, daß, wenn das Buch neu gedruckt werden sollte, er zwei Exemplare davon zu haben wünsche. Die Bedingung wird aber wol kaum eintreten.

Endlich übersende ich Ihnen ein Verzeichniß der bei uns lagernden negerengl. Bücher, welche Sie nicht haben.

Njue Testament18651 fl.50. Cts.
Ouwe Testament18611 ״50 ״
Tori vo Santa Kristen Kerki186950
Ariaboekoe mit Noten18701 ״-
״ (ohne Noten) I. Theil186870 ״
״ ״ II. ״1868-25 ״
״ III. ״ 1881-50 ״
Hollandsche en negerengl. Zamenspraak.186425 ״
Katechismus188020 ״
Feestboekoe186725 ״
Spelleboekoe I.188010 ״
״ ״ II187210 ״
Elf Traktate à 5
Eine Zeitschrift, die 1880 eingegangen ist, das s. g. Makzien Jahrgang 1 ״

Von den Traktaten sende ich also eins zur Probe. Die Bücher, welche Sie etwa bestellen werden, schicke ich dann durch einen befreundeten Capitain nach Europa, und an meinen Schwiegervater.9 Bitte die Zahlung auch an ihn zu leisten. Das alte Testament ist besonders gut übersetzt u. darin wieder besonders das Buch Hiob.

Mit der Hoffnung, Ihre Fragen so viel möglich zur Zufriedenheit beantwortet zu haben grüßt Sie

Hochachtungsvoll

Ihr ergebener

J. Kersten.

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Neger-Englisches Wörterbuch (Editio tertia)

Paramaribo. April 1783.

O. L. Schumann.

pag. 99.

lati spät; spät sein.

ju lasitem, ju komm lati tumussi, du hast die Zeit versäumt, du kommst zu spät.

humenni lati? wie spät ist es? hulati? id.

latin, verwesen, in die Verwesung gehen.

effi wansanni pori so, va mi no kann sassi morro, wi takki; a latin. porisanni mi kan sassi, ma latin - sanni mi no kan sassi.

lau, verrückt, närrisch, nicht gescheut seyn; Narrheit. ju lau nanga mi? Willst du mit mir den Narren spielen?

da somma tronn lau kwetikweti, der Mensch ist seiner Sinnen ganz beraubt, er ist übergeschnappt.

lausasi, lausanni, Thorheit, Narrheit, närrisches Zeug.

wan lauman, ein närrischer.

lauman, ein Narr, Thor.

leba } liba } ein böser Geist, ongri jeje.

leba de trobbi ju, a meki ju siki: ju muese gi wansanni na leba, va a kommotto na ju, va a libi ju.

liba-vool, ein Huhn, das geopfert wird, um den bösen Geist zu vertreiben. (gemeinigl. ein weisses Huhn).

ledi, redi, roth, gelb; roth od. gelb seyn; it. hellbraun. Indjin de ledi; lediwan, ledisanni; rediwan, redisani, id.

lesre, die Leber.

leguána, legwána, ein Levan.10

a switti vo jam. legwana eksi switti tumussi.


1 G. C. Weygandt, Gemeenzame leerwyze om het basterd of Neger-Engelsch op een gemakkelyke wyze te leeren, verstaan en spreken, Paramaribo: Beeldsnyder, 1798, 2, 144 S ; 8°.

2 Proeve eener Handleiding om het Neger-Engelsch, zoo als hetzelve over het algemeen binnen de Kolonie Suriname gesproken wordt, gedurende de reis derwaarts te leeren verstaan en spreken; ... zamengesteld ... door A. Helmig van der Vegt, Amsterdam: P. N. van Kampen, 1844.

3 Vgl. Schuchardt, „Die Sprache der Saramakkaneger in Surinam“, Verh. d. K. Akad. v. Wet. te Amsterdam, Afd. Letterkunde. Nieuwe Reeks, Deel XIV N° 6, III-XXXV, 1-121. – Im Vorbericht wird Kersten erwähnt. – „Saramacca ist ein Distrikt in Suriname. Er grenzt im Norden an den Atlantik, im Westen an den Distrikt Coronie, im Süden und Südosten an den Distrikt Para und im Nordosten an den Distrikt Wanica. Der Distrikt ist von der Landwirtschaft geprägt. Traditionell wurde diese von relativ kleinen Familienbetrieben dominiert“ (wikipedia).

4 Vgl. oben „Bedeutung“.

5 J. D. Herlein, Beschryvinge van de volk-plantige Zuriname …, Leeuwarden: Meindert Injema, 1718. [„Volgend jaar is het precies driehonderd jaar geleden dat dit bijzondere boek werd gepubliceerd. We vinden hierin een gedetailleerde beschrijving van Suriname in een periode dat er eigenlijk nog nauwelijks over geschreven werd. Ook is het de eerste Nederlandse publicatie waarin we afbeeldingen van Afrikaanse slaven zien. Het boek bevat een gegraveerd titelblad en 4 gegraveerde uitslaande platen. De nauwkeurige uitslaande kaart, getekend door A. Maars, geeft ons een goed beeld van de kolonie Suriname. Zo worden de namen eigenaren van plantages gelegen aan de Surinamerivier, Commewijne en anderen rivieren vermeld“].

6 Heinrich Rudolf Wullschlaegel, Lebensbilder aus der Geschichte der Brudermission. Ein Beitrag zur allgemeineren Kenntnis und Förderung der evangelischen Missionssache überhaupt und der Missionen der Brüdergemeine insbesondere, Stuttgart: Steinkopf, 1843. – Wullschlaegel ist auch der Verf. eines Deutsch-negerenglischen Wörterbuchs bzw. einer solchen Grammatik.

7 Distrikte in Suriname.

8 Vermutlich Bernat (de Ishak de Jahacob Bueno) Ballin (1830-1882), Kaufmann in Paramaribo.

9 Theophil Christiaan van Calker (1822-1913), HSA 01516-01517. „Theophil Cristiaan van Calker wurde im niederländischen Zeist geboren und ging für die dort ansässige Herrnhuter Brüdergemeine nach Paramaribo. Seine älteste Tochter Anna Louise war mit dem ebenfalls in Suriname tätigen Missionar Jonathan Kersten verheiratet. Dieser stand mit Schuchardt in Briefkontakt und schickte ihm Informationen und Material zum Saramakka. Dabei diente van Calker, der seinen Lebensabend in Berthelsdorf bei Herrnhut verbrachte, als Mittelsmann für die finanziellen Angelegenheiten“ (Katrin Purgay, HSA).

10 Gem. „Leguan“.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05521)