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Hinter ihr Hanns der Lehrjunge, mit zwei großen Krügen. Sie ist außer Athem und scheint schwer zu schleppen.
Danke schönstens, verehrte Schmiedegesellen – Compagnie! Wahrlich, wenn ich nicht den unreinen Grund der hohen Ehre kennte, welche Ihr mir mit Eurem Vivat erweist, ich würde Freudenthränen vergießen; doch ich weiß Eure edlen Gesinnungen längst auswendig, Ihr Weinschläuche und Schelme. Eure Liebe für mich entspringt in Eurem hungrigen Magen, und die Hochachtung für Jungfer Suse sitzt lediglich in Euren durstigen Kehlen. – Na, ich will Euch Euren Eigennutz vergeben, es ist nun einmal nicht anders. Da, Käse und frisches Brod, und hier schickt Frau Else Wein vom großen Faß Numero Elfe, weil Ihr gestern und heute so schwere Arbeit gehabt. Wohl bekomm's!
Die Gaudiebe! Da können sie schon schreien, wenn's nur wacker zu zechen giebt! Laut. Mit Verlaub, Ihr Herren, ich bin auch dabei, rückt zusammen.
Warum nicht gar! Lehrbursche und Altgeselle auf einer Bank, das wär' was Neues! Steh Du ruhig zur Seite, Bürschchen, mußt noch wachsen, hast's nöthig.
Hanns, wirst Du gleich ruhig sein?! Was hilft es Dir, wenn sie Dir was anthun? Was hast Du davon? Daß ich mich kränke, und –
So lerne bei Zeiten gehorchen, sonst bist Du kein Mann für mich. Gleich gieb nach, ich will's, und damit Punktum.
Jetzt sing' uns ein Lied, Herrmann. Wird mir gleich anders zu Muthe, höre ich vom Reitersleben. Das war eine Zeit, als ich und der Herr unter den Pappenheim'schen dienten! Vivat die Soldaten!
Bewahre der Himmel! Was für ein Geist ist denn auf einmal in Euch gefahren? Ich stand schon eine Weile und horchte Euch zu, wie Ihr schwarzen Raben am Blasebalg von Krieg und Sieg krächztet. Hahaha! Stattliche Soldaten wärt Ihr ja mit den zierlichen Wämsern, woran man die Farbe eben so vergeblich sucht, als die rothen Wangen in Euren rußigen Gesichtern. Sonst, wenn ich das Vesperbrod brachte, hört' ich schon drüben am Steg:
Und jetzt träumt Ihr von nichts, als Soldaten und dergleichen. Ei, ei! Herrmann, bist Du es, der unsere friedlichen Gesellen so kriegerisch stimmt?
Mögt's auch leicht besser verstehen, als die Schmiedearbeit; denn damit geht's schlecht genug von Statten.
Nehmt mir's nicht übel, aber Eure Hände sehen nicht aus, als hätten sie je Eisen geschmiedet oder Blasbälge in Bewegung gesetzt. Seht, neugierig bin ich nicht, das war nie mein Fehler – aber wissen möchte ich doch –
Was es für eine Bewandtniß mit mir hat? Ei Suschen, das weißt Du ja längst. Ich bin eines Sensenschmiedes Sohn, zog in den Krieg, hab's nun satt und suche, da es bald Friede wird, die alte Arbeit wieder auf. Da hast Du meine ganze Lebensgeschichte.
So, so! Ei, ei! – Nun, da Ihr mir nicht vertrauen wollt, obgleich Ihr immer sagt, ich hätte so hübsche, ehrliche Augen, so will ich Euch etwas erzählen. Geheimnißvoll. Seht, wie vor drei Wochen der Herr wegreiste, um die Erbschaft in Linz zu erheben, gingen wir alle früher zu Bette als sonst, weil wir vor Tage schon aufgestanden waren. Es mochte lange Mitternacht vorüber sein, da hörte ich auf einmal im Mit einem tiefen Athemzug. und das war keine Kleinigkeit, Ihr könnt mir's glauben.
Gutes, redliches Suschen, Du bist ja so hübsch, Suschen, so bildhübsch – Du gefällst mir zu sehr – sei auch klug und gedulde Dich nur noch zwei Tage, dann sollst Du wissen, was selbst Frau Elsen bis diese Stunde unbekannt blieb.
So, ich gefalle Euch also, und ich soll etwas erfahren, was die Frau Else nicht einmal weiß? Ach, lieber Herrmann, nun kann ich's ja gar nicht mehr aushalten, sagt mir's lieber gleich.
So! Jungfer Suse, nur hübsch gescharwenzelt mit dem
Aussicht genug; denn Du kannst ohne Schaden noch zwei Köpfe größer werden, ehe Du zur Einsicht kommst.
So? Merkst Du das jetzt erst? Mir ist's schon lange klar. Ein eifersüchtiger Lehrbursche und eine arme Waise sind freilich nicht für einander geschaffen.
Nein, drüben im großen Hammerwerk. Weil der Herr abwesend, hält sie überall selbst Aufsicht. Doch, wollt Ihr sie sprechen, so zieht nur an der Glocke des Wohnhauses, sie hört's bis zum Hammer hinüber.
Saht Ihr sie noch nicht? Ach ja so – sie kam immer den andern Weg vom Städtchen her, und Ihr wart hier auf der Schmiede. Ja, da müßte ich Euch eine lange Geschichte erzählen. Geschwätzig. Seht, das ist eigentlich –
Ja seht; die Bürgermeisterin ist eigentlich die Tochter des reichen Stadtpflegers im Orte, und mit ihrer Bürgermeisterschaft Bür
germeisterin« wäre ich mit dem zum Altar gegangen. Nun, daß ich's kurz mache – sie reiste also mit ihrem Manne zur Stadt und lebte dort mit lauter reichen, vornehmen Leuten, bis er starb. Nun kam sie vor einem Jahre plötzlich wieder hierher. Jung und hübsch genug ist sie, sie könnte alle Tage einen Mann haben, Seufzt tief. die Glückliche! – Aber ich wollte wetten, sie ist noch immer in den Rudolph vernarrt. Sie wußte das Ding so lange zu drehen und zu wenden, bis sie zu uns in's Haus kam. Nun besucht
So, jetzt habt Ihr's nicht einmal wissen wollen? Warum fragt Ihr denn? Warum laßt Ihr mich schwatzen bis mir die Zunge lahm wird?
O weh! Die Base! Was wird sie denken, wenn sie mich hier allein mit Euch trifft? ich schäme mich! Sagt, ich wäre nicht hier, ich wäre zur Schmelzhütte gegangen, sagt, was Ihr wollt, nur verrathet mich nicht – aber wegen –
Morgen müßt Ihr mir's sagen, was es für eine Bewandtniß mit Euch hat, ich kann's Euch nicht schenken, denn wenn ich's nicht erfahre, so wird's mein blasser Tod. Läuft hinter die Schmiede ab.
Ländliche Einfalt, ich werde Dich mit Undank belohnen
Aber Suse! Auch hier ist das Mädchen nicht! Guten Abend, Herrmann; wo steckt die kleine Hexe? Was gilt's, sie läuft wieder mit dem Hanns umher, indeß drüben im Hammer die Arbeiter nach dem Abendbrode verlangen. Sie geht hin und räumt die Becher in den Korb. Ei, ei! da liegt und steht noch Alles, wie es die Gesellen verließen, die Suse wird alle Tage nachlässiger, muß auf etwas denken –
Wie alle Mädchen von Siebenzehn Jahren, die gesund und rüstig sind. Muß das Mädchen verheirathen, da wird sie schon zur Vernunft kommen. Nehmt's nicht übel, Frau Gertrud, ich folge Euch gleich zum See, aber Ordnung muß erst sein. Das Mädchen muß mir erst zum Hammer hinüber.
Laßt's gut sein, sie ist verliebt, wir waren's ja auch einmal und unter uns, ich bin's noch heutigen Tags. Ach! Gertrud lacht mich nicht aus, aber wenn mein Rudolph hier ist, bin ich oft zerstreuter als das Mädchen. Zehn Jahre sind wir nun verbunden, aber noch ist er wie am Tage unserer Hochzeit, und ich – wenn ich's recht gestehen
Ich habe da eine traurige Erinnerung geweckt – vergebt mir, ich dachte wahrlich nicht daran. Aber die Suse kommt immer nicht, geh Herrmann, sei so gut und suche sie auf.
Meine Wohlthäterin! Ich kann diese Gegend nicht verlassen, ohne Euch zuvor gedankt zu haben für Eure Hilfe in der Noth.
Ich kann es jetzt ohne Gefahr wagen, die Verfolger haben meine Spur verloren, hier bin ich verrathen. Ich wollte verschwinden, wie ich kam, aber ich vermag es nicht, mein Herz zog mich zurück, ich mußte Abschied von Euch nehmen.Drückt ihre Hand an seine Lippen und eilt schnell ab.
Nun, wie alle unsere Gesellen; doch von ihm allein weiß ich's nicht, woher er kam, noch wohin er zu gehen gedenkt.
Ei, Gertrud! Seht, das ist nun einmal nicht recht von Euch, daß Ihr mir immer erzählt von Eurer geheimen Wissenschaft, und mich reizen wollt, dergleichen auch zu lernen. Ich halte so was für sündlich, und –
Pfui! Schämt Euch Else! Sprecht Ihr nicht, wie ein
Das ist Alles gut; – Ihr sprecht recht gelehrt davon, – aber mein einfacher Sinn hält es einmal für Unrecht, mehr wissen zu wollen, als jeder andere fromme Christenmensch auch weiß.
Ihr seid thöricht! Mich gerade erhebt der Gedanke, mehr zu wissen, als der gewöhnliche Alltagstroß. Bin ich nicht fromm? Gehe ich nicht fleißig zur Messe, verläßt ein Armer ungelabt meine Thür? So kann mein Treiben auch nichts Schlimmes sein. Versucht es nur einmal; gebt mir sieben Haare von Eurem Haupte, mehr bedarf es nicht, und morgen um diese Stunde kann ich Euch sagen, wer dieser räthselhafte Jüngling ist, was er war, und was er sein wird.
Ei! Hm! Warum nicht gar! Sieben Haare? Das klingt seltsam. Freilich Sie zieht die goldene Nadel aus dem aufgewundenen Haare, es fällt aufgerollt über ihre Schultern. Haare hätte ich genug, die sieben könnte man wohl hundert Mal herausziehen, ehe ich sie vermißte.
Das ist doch wahrlich seltsam! Sie zieht die Haare durch die Finger. Wie soll man aus fremden Haaren Vergangenheit und Zukunft eines Dritten weissagen können? O geht, Ihr wollt mich necken.
Nein, wahrlich nicht, versucht's nur – was liegt an ein paar Haaren, wagt sie an den Scherz, weiter ist es ja nichts, und täusche ich Euch, Scherzend. der Verlust ist ja nicht unersetzlich.
Nein, darin habt Ihr Recht. Wissen möchte ich doch, wen ich da beherbergte. Am Ende ist's ja doch nur ein Scherz. Sie zählt indeß aus dem aufgerollten Haare. Eins, Zwei – Drei – und nicht wahr, Gertrud, sagen werdet Ihr's Niemandem?
Vier – Fünf – Sechs – Nein, wenn das die Suse wüßte, daß die Else, die zehn Jahre älter ist, als sie, noch so neugierig wäre, ich schämte mich ja zu Tod – Sieben! – Sie faßt die gezählten Haare an und zieht sie herzhaft aus. In diesem Augenblicke flattert eine Wolke von Raben über die Bühne. – Else stößt einen Schrei aus und fährt mit der Hand nach dem Kopfe.
Einbildung, weiter nichts. – Nun, morgen Abend komme ich wieder und stille Eure Neugier. – Den Gang nach dem See unterlassen wir wohl heute, denn es steigt ein schweres Ungewitter auf. – Seht wie es finster wird, ich darf eilen, um nicht vom Regen überfallen zu werden. Gehabt Euch wohl, Freundin! Morgen auf Wiedersehen. Sie eilt ab.
Wie ist mir denn? Welch ein seltsamer Schauer durchrieselt mich? Wie betäubt ist mein Kopf! Mir wird ganz unheimlich zu Sinne. – Hm! Hm! Im Grunde war's doch nicht recht. Sagt nicht die Schrift: Laß dich den Bösen bei einem Haare fassen – Fröstelnd. Ei, wie fällt mir das auch eben jetzt ein? Ein Windstoß. Es ist so einsam hier und wird so finster. – Hu! der Wind saust schon durch die Eichen! Ruft. Suse! Suse! Wenn nur wenigstens das Mädchen hier wäre. Suse!
Das sehe ich! Wo steckst Du denn? Und was ist Dir begegnet, daß Du so furchtsam und scheu umherblickest? Ihre Furcht schlecht verbergend. Du wirst Dich doch nicht fürchten?
Nein Base, gar nicht, obgleich der Wind in den Bäumen saust und schwarze Wetterwolken aufsteigen, Mit zitternder Stimme. fürchten thu' ich mich doch nicht. Aber geschehen ist mir etwas, ich kann es gar nicht sagen, es ist mir so was Seltsames begegnet!
So! Meint Ihr nicht, da sollt Ihr's gleich anders hören. Ich saß unter den Erlen und sah auf den See hinunter und dachte eben – Stockt.
An nichts, Base, an gar nichts. Nun wie ich so in meinen tiefen Gedanken sitze, kommt Jemand aus dem Gesträuch, nimmt mich am Kopfe und giebt mir einen herzhaften Kuß, da seht – Hält die Wange hin. da sitzt er noch.
Ach, Base, ich drückte vor lauter Schreck die Augen fest zu. – Ihr könnt mir's glauben – ich sah ihn nicht an.
Das habe ich nicht gesagt, Base! Fast weinend. Ihr fragt einen aber auch so aus, man weiß gar nicht mehr, wo man hin soll. –
Gut für Dich, daß der Bursche – Unterbricht sich schnell. Nun erzähle nur, was Dir denn eigentlich geschah!? –
Nein, deshalb gewiß nicht, Base, aber seht, Ihr dürft mich nicht auslachen; als ich noch dort saß, und mich wunderte, wie der Herrmann doch so schnell laufen könne, flog auf einmal eine ganze Wolke großer Raben krächzend über mich hin, und nach einer Weile schoß die Bürgermeisterin wie ein Pfeil an mir vorüber, dem Felsenweg zu, wo die Alte vom Berge wohnt. Sie lachte tückisch vor sich hin, bis sie zwischen den Felsen verschwand. Da war mir auf einmal so unheimlich, daß ich vor lauter Furcht anfing zu laufen, was ich konnte, und als über mir die Bäume zu sausen begannen, da meinte ich alle Augenblicke, es hätte mich Einer am Kopfe. Seht, deshalb fürchtete ich mich so, als – Eine große Nachteule ließ sich indeß auf die Schmiede nieder, schlägt mit den Flügeln und glotzt mit feurigen Augen herab. ich kam und Euch traf, Base – Sieht sich um. Aber ich glaube gar, Ihr fürchtet Euch auch. Sie schmiegt sich an sie an.
Ach, liebe Base, sagt, was Ihr wollt, Ihr fürchtet Euch. Ausbrechend, mit weinerlicher Stimme. Na, da möchte ich wissen, warum sich unsereins schämen soll, wenn sich so eine kluge Frau, wie die Base fürchtet!
Närrisches Ding, wovor denn? Sie sieht heimlich um sich, erschrocken. Suse, Suse! Siehst Du die Eule dort?
O weh! O weh! Das ist gewiß eine Gevatterin der alten Hexe vom Berge. Seht, wie uns das häßliche Thier anglotzt! Base, lauft davon mit mir, geht nach Hause, es ist immer besser in Gesellschaft einer ehrlichen Gans in der Küche sitzen, als sich von dem Beest angaffen zu lassen. Kommt Base, kommt!
Gott steh uns bei, das Vieh versteht Deutsch! Sobald sie ruft; »Gott steh' uns bei«, fliegt die Eule mit starkem Flügelschlag davon. Da fliegt es hin, am Ende uns nach. Base, thut, was Ihr wollt, ich laufe. Läuft ab.
Nun, Suse, Du hängst ja gewaltig den Kopf. Was fehlt Dir denn heute? Es ist ohnedem so traurig, wenn Rudolph nicht daheim ist, und wenn nun vollends Dein Plappermaul still steht, wird einem ja gar Zeit und Weile lang.
Nein, Mutter, der mit dem großen Bart und der spitzigen Mütze ist der Wallenstein, das muß ich wissen – Herrmann hat mir's gesagt.
Nun, meinetwegen, liebes Herz, so mag's der Wallenstein sein. Der Herrmann hat mir alle Köpfe verdreht; der Jungfer hier, dem Friedel und den Gesellen, die nichts träumen als vom Reitersleben.
Ja, Mutter, ich werde auch ein Reitersmann. Der Vater bringt mir aus Linz einen hölzernen Gaul mit, er hat's gesagt.
Ja Base, schlecht ist's von ihm mich so anzuführen. Gestern versprach er mir, in zwei Tagen sollte ich Alles erfahren, was es für eine Bewandtniß mit ihm habe, woher er komme, wohin er gehe, kurz Alles, und nun läuft er fort,
Ja, ja, da ist allerdings was zu fürchten. Pfui! Schäme Dich! Ein Mädchen in Deinen Jahren, und so neugierig sein. –
Na, so geht mir's auch – ich bin auch nur zu Zeiten neugierig, aber wenn ich nun einmal anfange, und dann nicht Alles genau erfahren kann, muß ich vor Aerger weinen, – wie mir's jetzt geschieht.
Suse! Suse! Wenn Du nur aus Aerger weinst, ist's gut, aber, aber – ich denke, Du solltest heirathen, das wäre das Beste.
Ja, das ist der Umstand. Der reiche Schneider Martin hat neulich auf dem Jahrmarkt um Dich geworben, der wäre keine üble Parthie.
Base, liebste Base! goldne Base! Um's Himmelswillen, das kann Euer Ernst nicht sein. Denkt nur, wie alt und häßlich er ist. Seine Nase glänzt wie Karfunkel, und drei Frauen hat er schon begraben.
Reich! Du lieber Himmel! Wie hat er's erworben? Mit Wucher und Sünde – der abscheuliche Mensch! Hat er nicht neulich der armen Wittwe das letzte Kalb genommen, weil sie die Trauerkleider für sich und die Würmer nicht sogleich bezahlen konnte? Nein Base, ehe ich auf solche Art Frau Meisterin werde, macht mich lieber – zur Frau Lehrburschin.
Ei das wäre mir ein prächtiger Titel! Nun warte nur bis mein Mann kommt, der soll Dir den Kopf zurechtsetzen.
Der Martin ist ein böser Mensch, ich mag nichts mit ihm zu schaffen haben. Sieh Du zu, wie Du ihn los wirst. Komm Friedel, geh mit. Mit Friedel in's Haus ab.
Kein kleiner Weg aus dem Ort in's Thal daher! Uff! Wischt sich ab. Das ist warm, könnte gleich zerfließen vor Hitze, wenn sichs nur für einen ehrbaren Bräutigam schickte. – Na so weit wären wir mit Gottes Hilfe! – Also Jungfer Suse, hört einmal. Ihr seid ein niedliches Ding bis auf die allzukleine Nase, welcher Mangel jedoch, wie ich vernehme, an Eurer Zunge reichlich ersetzt sein soll.
Da mich also die Langeweile gewaltig plagt, und ich gerne so ein plauderhaftes Wesen um mich leiden mag, mit dem ich bald tändeln und scherzen, bald zanken und keifen kann, so habe ich Euch, der ärmsten Dirne im Dorfe, die Ehre zugedacht, Euch zu meiner ehelichen Sponsin, zur Frau Schneidermeisterin in aller Form Rechtens zu erheben – wasmaßen ich allhier den Verlobungsring an Euren Finger und den Strauß in Euer Mieder stecke.
Warte! Laut. Ach, lieber Meister, die Base hat mir
'S ist wahr! Suschen, 's ist wahr, Du mußt in unserer Ehe sehr auf der Hut sein; denn ich kann mich gleich ärgern, daß mich der Schlag treffen könnte.
Daß Ihr Euch so ärgern könnt. Ihr werdet mir doch gleich im Ehecontrakt verschreiben, was ich bekomme, wenn Ihr sterbt?
O, das ist prächtig! Das ist prächtig! Mit tausend Gulden kaufe ich dann eine Schmiede. Still stehend. Wann ist denn die Hochzeit? Ich kann's gar nicht erwarten.
Aber was schwatzt denn die Suse? Worüber freut sie sich so? Und was spricht sie von der Schmiede? Ich bin ja kein Schmidt, sondern ein Schneider.
Ach, lieber Meister, ich bin ein armes Ding, und der Hanns, der Lehrbursche, ist noch ärmer – Da danke ich dem Himmel, der mir das Glück bescheert, Euch zum Manne zu bekommen; denn seht, mir ist's eigentlich nur um Euer Geld zu thun; ich will Euch täglich so viel ärgern, als ich nur immer kann. Fällt ihm um den Hals. Dann lieber Meister, dann seid Ihr so gut und laßt Euch den Schlag treffen, und ich heirathe meinen Hanns.
So!? Ei nun, die Jungfer hat gute Pläne! Werde Ihr den Spaß schon vertreiben; wird mich Ihr zu Gefallen just der Schlag nicht treffen. Sie ist mir eine saubere Frucht! Schau! schau! Sieh, sieh! Mich todtärgern, mein Geld einsacken, und dann den Lehrburschen heirathen! Ne, da suche Sie sich einen andern Narren, mit mir ist's nichts. Ich sehe schon, die rothesten Aepfel sind wurmstichig, da nehme ich lieber die bucklichte Bäckerliesel, die wird mich nicht todt ärgern, denn sie kann mit der Sprache nicht fort, weil die Zunge zu kurz gerathen.
Teufelsbraten! Satanskraut! Diesmal hast Du Dich verrechnet. Nein daraus wird nichts. Wenn man mir das Mädel auf dem Bräsentirteller bringt, ich mag sie nicht. Hungere Sie mit Ihrem Lehrburschen nach Gefallen, Jungfer Betteldirne, aber die Gedanken auf den Meister Martin lasse Sie Läuft zornig ab.
Mein Herz erwählt? Ach Base – dem Hanns bin ich recht gut, recht – und – Sieht beschämt vor sich nieder. wenn ich den Herrmann nicht bekommen kann, ist mir am Ende doch der Hanns noch am liebsten.
Siehst Du, Suschen, wie gut es ist, daß der Herrmann so schnell verschwand. Ich weiß zwar so wenig als Du, woher er kam, noch wohin er ging, aber er war sicherlich was Vornehmeres als wir, und der gute Hanns taugt besser in unsern stillen Kreis. Wenn er Dir nur nicht böse ist?
O Base, seid nicht bange, den will ich schon wieder versöhnen, da laßt mich nur machen Die Sonne ist schon unten, jetzt laufe ich schnell zur Schmiede hinab, und begleite ihn heim. Aber Base, liebe Base, verrathet mich nicht, ichLäuft ab.
Ja, ja, die muß heirathen, das ist die höchste Zeit. Sieh, sieh, wie es schon dämmert, muß nun hinein, und für das Abendbrod Sorge tragen. – Die Suse bekomm' ich wohl so schnell nicht wieder zu Gesicht. Sich umsehend. Die Gertrud scheint auch ihres Versprechens nicht mehr zu gedenken. – Nun, – was liegt daran? Närrisches Zeug! Ich habe mich wohl umsonst gefürchtet und gequält –, das sind Possen. Seltsam genug, gerade, weil sie nicht Wort hält, bin ich neugieriger als je, zu wissen, wer dieser Herrmann war. Es muß doch ein eignes Ding sein um diese geheime Wissenschaft.
Schönstens bedankt für den Gruß. Der Herr läßt Euch, Macht einen Kratzfuß. mit Verlaub, nehmt's nur nicht übel, der Herr läßt Euch herzlich küssen, und morgen gegen Abend
Thut's, Frau Hammermeisterin, thut's, ist mir in den letzten zwanzig Jahren spärlich passirt. Ja hört, Ihr werdet Euch wundern, des Herrn Tante hat tüchtig hinterlassen, da kommt Geld, prächtige Kleider, Silberzeug, Perlen und –
Ach, was soll mir das? Aber mein Rudolph kommt, mein lieber, guter Mann! Bleibt er lange in Sanct Florian? Kommt er gewiß morgen?
Gewiß, Frau Else! – Denn er rief mir noch nach: Ich werde eilen, denn mein Herz drängt mich zu Weib und Kind.
Christel! Ei Christel, bist Du da? Springt an ihm hinauf. Nun kommt wohl auch der Vater wieder? Habt Ihr mir ein Pferd und Linzertorte mitgebracht?
Der Junge träumt von nichts als Reiten und Torten. Warte, wenn der Vater kommt, der wird Dich naschen lehren. In's Haus ab.
Neun Uhr – Das Reich der finstern Nacht beginnt, die Geister lüften ihre Schwingen. Man hört aus weiter Ferne zum Abendgebet läuten.
Walpurgisnacht bricht an. Einst ruhte ich wohl im Frieden, wenn diese Glocke durch die Mainacht drang, und gedachte ich zufällig, daß es Walpurgis sei, so drückte ich schaudernd das Haupt in die Kissen, und im ruhigen Schlummer fand mich der erwachende Tag. Damals röthete die Gluth der Gesundheit meine Wange und der Glanz der Unschuld strahlte aus meinem Auge. Sie bedeckt das Gesicht. Wohin bist du verschwunden, unvergeßliche, selige Zeit? Wilde unbefriedigte Wünsche im Busen, grauenvolle Pläne im düstern Sinn, wandle ich jetzt durch die Nacht. Schauder und Entsetzen sind mir fremd geworden; denn finstre Mächte schützen mich. Jahre entflohen; doch meine Liebe zu Rudolph steht fest in der Brust, ob er mich auch um Elsens Willen von sich stieß. Er ist's, der mich elend machte, er hat mich in den Abgrund gestürzt, er muß mich erheben zum höchsten Glück, dann will ich sterben, vergehen in Leid! Doch wie ich's erringe – gräulich ist's – thu' ich's? – unterlaß ich's? – Ach immer weiß ich meines Jammers kein Ende.
Sie singt das Kind in den Schlaf. Zum letzten Male – ich muß, ich darf nicht zögern. – Das Schwerste ist gelungen. – Ich hatte keine Macht an sie, da sie noch jeden Gedanken an die unsichtbare Macht mit Abscheu von sich wies, jetzt aber gab sie ihre Neugier in meine Hand; schnell nun vollendet, was so glücklich begann! Was stockt mein Fuß? Ist die Welt nicht groß und schön? Glücklich sein kann man überall – und war sie es nicht lange genug? Hat sie ihn geliebt, wie ich? O nie, niemals! Sie eilt rasch zum Haus und klopft leise an's Fenster.
Ihr seid's, noch so spät? Eben wollte ich zu Bette gehen. Gleich komm' ich, ich will nur erst das Mieder wieder zunesteln. Verschwindet.
Sie kommt! Wie schlägt mein Herz! Wird mein Werk gelingen? – wird sie mir folgen? Was will, was wünsche ich! Wehe mir, ich verliere die Besinnung.
Nun da bin ich – doch halt! Tritt schnell wieder zurück, macht das Gitter zu und lehnt sich mit dem Oberkörper heraus, wie aus einem Fenster. Eben fällt mir bei, heute ist Walpurgis, da mag ich mein friedliches Haus nicht verlassen; die Schwelle ist geweiht, hier können mir die bösen Geister nichts anhaben.
Wovor? Ei das wißt Ihr so gut, wie ich; vor Hexen und Kobolden, die in der ersten Mainacht losgelassen sind.
Wahrhaftig, Else! Ich schäme mich in Eure Seele! Könnt Ihr, eine vernünftige Frau, die albernen Ammenmärchen des Pöbels wiederholen, ja, sogar glauben?! Wohl sind in der ersten Mainacht alle Naturkräfte mächtiger, weil der Frühling erwacht; die Elemente erzeugen geheimnißvolle Gestalten, die der starke Geist des Menschen sich unterthan machen kann, aber im edleren Sinne als Euer armes Mährlein berichtet; auch ich ziehe hinaus auf die leuchtende Bergspitze, wo man vereint findet, was die Erde an Herrlichkeit erzeugt. Wollt Ihr mit Else?
Behüte mich der Himmel! Nein, geht nur allein, mich verlangt nicht nach solcher Herrlichkeit. Laßt überhaupt die seltsamen Redensarten, und erzählt mir lieber, was Ihr von Herrmann erfahren, damit ich meinem Rudolph morgen doch wenigstens sagen kann, welchen Gast ich beherbergte.
Weh mir – auch ich – doch eine um die andere verrinnt. In diesem Augenblicke fliegt ein Feuerball über die Bühne.
Erzürnt mich nicht Else, hört auf mit Euren Possen! Ihr könnt doch unmöglich solchen Unsinn glauben? Ich gehe, die Elementargeister in ihrer Pracht zu belauschen, und so mein Wissen zu vermehren, währet Ihr klug, so ginget Ihr mit.
Nein! Danke schönstens! Den Weg mögt Ihr allein machen, dazu bekommt Ihr die Else nicht. Prasselnd rollt ein kleines Fuhrwerk auf die Bühne.
Ihr macht mich lachen mit Eurem tollen Kinderwahn – Tretet heraus und betrachtet mein leichtes Wägelchen; Ihr würdet Euch Eurer Thorheit schämen.
Ich möchte wohl so etwas ansehen, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das sein muß; wenn ich mich nur nicht vor den bösen Geistern fürchtete.
Ich bin ja hier und schütze Euch, ich Eure treueste Freundin; was sollte Euch denn widerfahren? Die Musik beginnt.
GERTRUD faßt rasch ihre Hand und zieht sie zu dem Wagen, indem sie sagt: Hier ist es, Else! Hier, seht Ihr es nicht?
Ein Laut bringt Dir den Tod. Der Wagen verwandelt sich in eine riesige Eule mit feurigen Augen und ausgespannten Flügeln.
Nein, wir wollen sie lieber wecken – das arme Weib weiß sicher nicht, daß dort die drei Räuber verscharrt liegen, welche den Handelsherrn aus Hamburg erschlugen. Geh hin Mann, und rufe sie an.
Ei was! Ihr habt doch gar keinen christlichen Sinn. Die Frau denkt am Ende zum Fest zurecht zu kommen und verschläft's hier. Geht hin. Frau! Frau! Wacht auf.
Ihr könnt Euch beeilen, wenn Ihr noch zur Huldigung kommen wollt; und von den Gräbern geht weg, da liegen drei Mörder, hört Ihr's? – Gehabt Euch wohl indeß.
Sieht besinnungslos um sich, fährt mit der Hand nach der Stirne, faßt ihr herabhängendes Haar, betrachtet es mit Staunen, sucht die goldene Nadel auf ihrem Kopf, dann die Tasche mit dem Gürtel an der Seite. – Ihre Bewegung zeigt, daß sie erschrocken Alles vermißt. Endlich sieht sie über sich die Eiche und dann die Gräber. Wo bin ich denn? Lag ich nicht eben auf meinem Lager und mein kleiner Junge wollte mich nicht einschlafen lassen? Wie, oder sprach nicht Jemand hier von Huldigung und von Mördern? Sie wischt sich die Augen und setzt sich bequemer. Nein, was einem doch für närrisches Zeug träumen kann, ich bin ja zu Hause. Sie sieht wieder auf. Himmel, nein! Da sehe ich ja immer noch die Eiche über mir und hier – Sie betrachtet den Hügel, auf dem sie saß und springt auf. Weh' mir! Das ist ein Grab. Wo bin ich denn? Sieht sich um. Dort eine große Stadt – und – ja, jetzt hör' ich's deutlich, Glockengeläute summt um mich her. – Dort ziehen ferne Wanderer die Straße – und meine Berge kann ich nirgends schauen! Sie faßt sich selbst leidenschaftlich bei beiden Armen und betastet sich. Das bin ich – ich selber,
Ihr habt gut reden, Ihr wandelt auf Storchbeinen, aber mich schaut an, mich, den stattlichsten Schmeerbauch im ganzen Gau.
Das ist eine curiose Frage. Ihr habt uns wohl zum Besten? Das dort ist Wolfenbüttel und hier sind wir im Wolfenbüttelschen Gebiet.
Wolfenbüttel? Die Stadt hörte ich in meinem Leben
Ich bin in – Sie erschrickt plötzlich, sinnt nach und sagt dann in staunender Angst. Ist's möglich? Der Name meines Geburtsortes fällt mir nicht ein. –
Ja wohl, lieber Herr, ja wohl! Daheim im Vaterland ist ein großes Hammerwerk unser, und eine reiche Sensenschmiede, welche zwischen hohen Felsen liegt, das Land durchströmt ein prächtiger Fluß, der blühende Gauen befruchtet, Wohlstand und Redlichkeit gehen Hand in Hand, die Fluren lachen wie der Menschen Antlitz; doch wo sie liegt die theure Heimath, wie man sie nennt und wie ich hierher gekommen, dies, liebe Herren, vermag ich nicht zu sagen.
Ei freilich! Mein Name ist – Sie sinnt eine Weile und ruft dann verzweifelnd. Allmächtiger! ich bin meiner gesunden Sinne beraubt! Herr, auch meinen Namen weiß ich nicht zu nennen.
Hört Frau, nun reißt mir die Geduld. Ich stehe hier aus purer, klarer Güte, verplaudere die Zeit, indeß unser junger Herzog sich huldigen läßt, versäume das prächtige Fest; Alles um mich zum Besten halten zu lassen von einer – Landstreicherin – darnach seht Ihr mir so ziemlich aus, daß ich's nur gerade heraussage.
O, womit habe ich denn so großen Jammer verdient, mein Herr und Gott? Mein Kopf ist wüst – meine Gedanken verwirren sich, und wenn ich mein Gedächtniß martere, so kann ich, wie ich hierher kam, nicht enträthseln. – Nichts, nichts ist mir klar, als daß daheim ein liebender Gatte, ein theures Kind nach mir rufen und daß ich verbannt bin aus dem Vaterlande vielleicht für ewig. Ach ich weiß ja nicht einmal, wie weit mich die Ferne trennt von den Meinen, nur daß ich elend bin und verzweifle.
Ihr thut dem Weibe unrecht, das ist keine Landstreicherin, es ist eine Wahnsinnige! Laßt uns gehen, wir können ihr doch nicht helfen. Sie wenden sich zum Gehen.
Mann, Ihr habt ein Antlitz, das Mitleid und Herzensgüte ausspricht, seid menschlich, erbarmt Euch einer Elenden, nehmt mich mit Euch, verlaßt mich nicht.
Der Herzog mag mit meinem tollen Pferde rechten, nicht mit mir. Die Huldigung ist sicherlich vorüber, und ich komme zu spät.
Ei, Gott zum Gruß! gestrenger Herr Graf! Helft uns doch aus der Noth. – Da liegt ein närrisches Weibsen an der Landstraße, das mich nicht vom Fleck lassen will, sie giebt vor, nicht zu wissen, wer sie ist, noch woher sie kommt, und will durchaus mit mir nach Hause. Nun, ich hätte just nicht
Das ist eine seltsame Zumuthung, Meister! Denkt Ihr, weil Ihr zu meinem Wein die Fässer macht, dürft Ihr für meine Burg die Bewohner liefern? Das will mir schlecht behagen. Wer seid Ihr, Frau?
Nicht? Das ist seltsam genug. Zu Steffens. Sie. blickt starr und wild, sie ist wohl am Ende wahnsinnig?
Wahnsinnig, Herr? Ja, Ihr habt Recht, es wird wohl so sein, und bin ich es nicht, so muß ich es wohl werden, ich muß! Vor sich hinstarrend. allein, verlassen, fern vom Vaterland, meiner Sinne beraubt, die Sehnsucht nach den Meinen in der wunden Brust, und Nacht um mich – über mir, – in mir! – Ha! Wehe! Seht Ihr dort die Eule mit schwarzen Schwingen? Ja, jetzt besinne ich mich – Die Eule war's, die mich hinwegtrug aus der Heimath. Berge, Ströme, Städte, Wälder flogen an mir vorüber – es flammte um mich, ich schrie laut, da fiel ich, und fiel, – und fiel – bis alles um mich finster ward, und meine Sinne schwanden. Dort ist der gräßliche Vogel wieder – nehmt mich mit, laßt mich nicht hier; denn Angst und Grausen tödten – Verzweiflung! Wehe! Sinkt ohnmächtig zusammen.
Unglückliche! Fürwahr ich nehme Theil an ihr! – Doch was mit ihr beginnen? Helft sie von hinnen schaffen, Ihr
Ja, Ihr habt gut reden, Herr Graf, meine Anna ist gar eine böse Sieben. Gutmüthig. Na, kommt Weibsen, erholt Euch!
Nur vorwärts, Ihr Herrn, vorwärts nach der Stadt, ich will mir indeß überlegen, was zu thun. Alle ab.
Ich danke Euch, meine lieben Getreuen! Nach langer Trennung, nach so mancher Gefahr und Noth, hat es dem Ewigen gefallen, mich glücklich wieder in mein Land, in die Mitte meines treuen Volkes zurückzuführen. Den Eid der Treue habt Ihr heute in meine Hand auf's Neue beschworen, vergessen sei, was Euch, wie mir der Drang der Zeit und die Uebermacht der Feinde auferlegt, laßt des Friedens uns erfreuen und haltet fest an unserem Haus und Land.
Nach schwerem Leid sind nun die heißen Wünsche Deiner Treuen erfüllt – Du bist uns zurückgegeben, mein theurer Sohn!
Und nun meine Freunde! Da der Sonnenschein des Glückes uns wieder lächelt, laßt mich die heiligste der Pflichten, die des Dankes, ungesäumt erfüllen. Ihr wißt, wie ich durch die Uebermacht der Schweden aus dem eignen Lande verdrängt nach Wien hinabgezogen war, um bei Kaiserlicher Majestät Hülfe zu erflehen. Ich lebte still und zurückgezogen dort, und suchte weder Zank noch Hader; dennoch fand sich ein schwerer Streit zwischen mir und einem Prinzen des Hauses, ich griff zum Schwerdt wie jener, und erschlug ihn im ehrlichen Zweikampf. Da war meines Bleibens nicht mehr zu Wien. Nur die Flucht konnte mich retten. Mehrere Tage irrte ich in dem schönen Oestreicher Lande umher, da gewährte mir endlich ein wackeres Weib durch Wochen lang Aufenthalt und Schutz, sie rettete mich aus dieser schweren Bedrängniß. Euch Ritter Conrad von Feldau und Euch Wolfram von der Horst rufe ich auf, zieht hin in jenes herrliche Felsenthal, unweit Sanct Gilgen, ob der Enns führt der Weg – fragt nach dem Hammermeister Rudolph Werner, dessen Gattin ist's, der ich für alle Zeit verschuldet bin. Nimmt eine prächtige Kette vom Halse. Bringt ihr dieses kostbare Geschmeide, sagt ihr, wen sie gerettet und wer es sendet, sie möge es tragen zu meinem Gedächtniß.
Ei mein alter Marquard, würdiger Freund! Ihr kommt, da unser Fest beendet! Ist Euch denn meine Ladung nicht zugekommen?
Das will ich meinen, mein gnädigster Herr! Und wär's auch nicht, ohne Ladung würde ich nicht gefehlt haben in dieser feierlichen Stunde! Aber, diesmal war ich wie behext! Erstens, meldet sich mein altes Uebel, das böse Zipperlein wieder an, und ich muß mich nolens volens in eine Sänfte packen lassen, um zu guter Zeit hier anzukommen. Das ging denn auch ganz prächtig, bis zum Kreuzweg, zwei tausend Schritte vor der Stadt – da wird einer meiner Hengste stutzig, und als wäre der Satan drein gefahren, ist er nicht mehr von der Stelle zu bringen. Ich steige aus der Sänfte und denke: besser langsam vom Fleck, als gar nicht – und gehe so frisch Feld ein, indeß Konrad bei den Pferden bleibt, da aber, ja seht, da begegnet mir ein seltsamer Casus. An der Landstraße finde ich ein junges hübsches Weib in einem Zustande, der mein Mitleid auf eine solche Weise erregt, daß ich sie mir nichts dir nichts aufpacke, und so schon langsam den Weg nach der Stadt beende.
Hat sich was zu meinen! Mit Verlaub, Frau Herzogin! Euch bringe ich das Weibsen und denke sie Eurem milden Herzen zu empfehlen. Ich weiß nicht recht, ist sie gescheidt oder verrückt; denn seit sie sich erholt, spricht sie ganz vernünftig, sobald man sie aber fragt, woher sie kommt, und wer sie ist, will sie verzweifeln, weil sie versichert, dieses nicht zu wissen. Mir kommt die Sache absonderlich vor; denn für eine Betrügerin mag ich sie nicht halten, – sie sieht so ehrlich aus, so recht herzensgut und brav!
Nun wackerer Graf, so bringt die Aermste uns vor's Antlitz, wir wollen heute Gnaden spenden in reichem Maaße, da Gott uns so hoch begnadet.
Wirklich? Darf ich, edle Frau? Nun seht, das ist schön und brav, das ist recht ein Einfall, der Euch ziemt. Ich hole sie, und gebt Acht, Ihr werdet des alten Marquard von der Eiche nicht ferner spotten, weil er ein weiches Herz hat. Eilt ab.
Wohlthun ist das Gebiet einer edlen Seele; wer möchte Euch verwehren, meine Mutter, in Eurem angebornen Reiche zu herrschen?
Da ist sie, gestrenge Frau – Nun Weiblein, redet für Euch selber, der alte Marquard hat das Seine schon gethan.
Mein Herr und Gott, das ist ja Alles doch nur ein toller seltsamer Traum! Aus Nacht und Elend fliege ich schnell hinüber zu Glanz und Licht. Nein, solche Pracht und Herrlichkeit ist ja im irdischen Leben gar nicht zu finden! Hier ist wohl das Feenland, von dem man mir in meiner Jugend oft erzählt? Mit gefalteten Händen, zur Herzogin. Ach, seid In Thränen. so bringt mich in die Heimath, zu Mann und Kind.
Ich weiß es nicht. Doch ist sie verrückt, so scheint mir's fast, es steckt ihr Wahnsinn an; denn je mehr ich sie betrachte, je seltsamer wird mir zu Muthe. – Wenn es nicht Unsinn wäre, wenn es irgend im Kreise der Möglichkeiten läge, so sagte ich: dies Weib ist meine Retterin, von der ich Euch so eben sagte. Jene blühte freilich in froher Gesundheit, und aus diesen bleichen Zügen spricht der Wahnsinn; aber dennoch – diese Aehnlichkeit – selbst ihre Tracht ist dieselbe!
Else! – Else! – Else! – – Ja, ja, das ist mein Name! Ach wißt Ihr meinen Namen, so sagt mir auch, wo ich daheim, wo die Meinen sind, wo ich sie finde?
Ist's möglich? Else – das Alles hättet Ihr vergessen? – Im schönen Oestreicher Land seid Ihr zu Hause, in der Nähe von Sanct Gilgen, der Hammermeister und Sensenschmidt Ru
dolph Werner ist Euer Mann, und –
Und Friedel Herz – Friedel heißt mein liebes, liebes Kind. Stürzt auf die Knie. O Du mein großer, gütiger
Ja, Frau Else, dankt dem Ewigen; denn Euer Bewußtsein ist wiedergekehrt. Kein Feenland umgiebt Euch hier – Alles ist Wirklichkeit. Ich bin Herzog Heinrich von Wolfenbüttel, der, als Hermann Euer Geselle war, der Euch seine Rettung dankt! Alles, was Ihr hier erlebt ist Wirklichkeit, und nichts ist unbegreiflich, als wie Ihr hieher kommt aus Eurer hundert Meilen weiten Heimath, wo ich Euch vor wenig Monden froh und gesund verließ.
Wie? – Monde sind indeß verstrichen? O! die Macht des Bösen ist groß, größer aber die des ewigen Vaters! Jetzt weiß ich Alles, was mit mir geschah, der Bann böser Geister ist gelöst. Glaubt mir Herr, nicht Wahnsinn ist's, was aus mir spricht, Wahrheit vernehmt Ihr. Ein falsches, gräßliches Weib hat mich aus meinem Hause verlockt. Ein böser Geist trug mich über Berge, Städte und Länder hin. O Herr, wenn Ihr Euch mir verpflichtet glaubt, so hört mein Flehen. Laßt mich nach der Heimath ziehen zu den Meinen.
Nicht also, edler Herr, ich habe nicht verdient, auf solche Weise geehrt zu werden. Buße ziemt mir, schwere Buße – habe ich doch durch sündliche Neugier das Unheil herabgerufen auf mich und die Meinen. Gebt mir, so viel mir nöthig ist, ein Pilgerkleid, am Wanderstabe will ich die Heimath suchen, um dann entsühnt mein friedliches Haus zu betreten.
Ihr sollt Eure Wünsche erfüllt sehen, Frau Else, und das noch heute – Aber wollt Ihr uns denn schon verlassen, dem kranken Körper keine Ruhe gönnen?
Der Leib ist nicht krank, Herr, die Seele war es. Doch Gott der Herr hat sie gnädig geheilt, ich bin gesund und stark! Glaubt Ihr, ich fände Ruhe im fremden Lande, indeß die Meinen sich daheim zergrämen? – Die Gattin, die Mutter, die Hausfrau fehlt an dem verlassenen Heerd, denkt Ihr, ich könnte das Auge zum Schlummer schließen, so lange der Angstruf meiner Lieben bei jedem Laut mir im Ohr dröhnt, so lange ich mein altes Glück nicht wieder habe? Nein, nein, laßt mich fort, für mich ist nicht Ruhe noch Friede auf Erden mehr, ehe ich die Geliebten nicht in den Armen halte! – Dann sende ich Euch Kunde, edler Herr, dann erst kann ich Euch danken wie Ihr verdient, dann erst habt Ihr das Rettungswerk vollbracht!
Gott wird Euch lohnen – doch heißt mich nicht weilen,
Mein sehnend' Herz will nach der Heimath eilen!
Allmächtiger! Im Staube dankt Dir Deine Magd! Die heimathliche Erde trägt mich wieder, die reine Bergesluft kühlt mir die Stirne, und dort im Thale, das noch der Nebel deckt, dort lebt mein Rudolph, dort mein theures Kind, wenn Du barmherzig bist, Du gütiger Gott! – Wie ist mir so seltsam bang zu Sinnen! Meine Knie brechen ein – ich kann nicht weiter! Wankt zu der Bank vor der Hütte. Den höchsten Schmerz hab' ich ertragen und meine Kräfte erlagen nicht, es trieb mich vorwärts ohne Rast und Ruhe, und jetzt – jetzt – wo ich dem Ziele so nahe, jetzt lähmt die Freude meinen Fuß! – Hier eine Hütte? Ja, hier will ich rasten und dann hinab in das Thal, die Stunde Weges werden mich doch die müden Glieder noch vorwärts tragen? Sie pocht stark an die Thür. Ist Niemand da?
Wie? Dich? der dreißig Jahre auf dem Hammer diente, der den Rudolph gehätschelt und gepflegt von Kindesbeinen auf? Das kann ja nimmermehr wahr sein.
Eure Stimme wohl; denn die klingt mir lieb und befreundet und ruft mir alte gute Zeiten ins Gedächtniß. Seht, mich hat das Unglück seit Kurzem schwer getroffen. Vor ein paar Monden, bald darnach, als der Hammermeister von Linz heimkam, hatten wir einmal viel Arbeit, ich legte Hand mit an, war schwer erhitzt, da geschah es, daß der kleine Friedel in den Hammerbach stürzte –
Ja, Frau; ich aber sprang nach und holte den Jungen heraus. Ich mochte mich wohl jählings erkältet haben, es fiel mir auf die Augen und so bin ich fast ganz erblindet.
Erblindet, großer Gott! Erblindet, Du, um seines Kindes willen, und Rudolph hat Dich aus dem Hause gewiesen?
Nicht er – ach er ist gut! – Er kaufte mir hier die Hütte und sorgt redlich für mich, aber es ist doch nicht das Haus, in dem ich alt wurde. – Nun, dem Hausfrieden mußte er mich wohl opfern; die Frau konnte mich nicht leiden.
Hatte er schon früher eine Frau? Davon weiß ich nichts, müßte im Kriege gewesen sein. Hier im Orte ist er seit zehn Jahren verehlicht mit der Else, die jetzt das ganze Haus umwendet und eine gar sonderbare Wirthschaft treibt.
Da hat man Euch falsch berichtet, Frau, sie war nie vom Hause fort; – aber seit der Herr von Linz zurück
Die ist verschwunden seit dem ersten Mai. Viele sagen, sie sei mit einem jungen saubern Burschen, der ein paar Wochen auf dem Hammer gewesen, davon gegangen.
Die Gertrud verschwunden seit dem ersten Mai – die Else daheim – und sie war, sie, die – Mit plötzlichem Entschluß. was hier geschehen, kannst nur Du enthüllen, Du mein gütiger Gott! Du hast mich aus Noth und Jammer gerettet, Du wirst mich auch jetzt nicht verlassen! Hier waltet ein dunkles unbegreifliches Räthsel, ich will es lösen und bräche mir auch das Herz darob. Leb wohl, Christel! Auf den Abend bist Du wieder im Hammer, oder Du siehst mich niemals wieder. Eilt ab.
Ich weiß nicht, träum' oder wache ich, je mehr ich darüber sinne, je deutlicher wird mir's – die Stimme klang wie El
sens; doch dann müßten Herz und Gesinnung sich wunderbar geändert haben. Nun, auf den Abend werde ich's auf dem Hammer ja wohl von ihr hören. Ab.
Eins – zwei – drei – vier – Horchend. Nichts mehr? Was, erst Vier? Wieder eine Stunde zu früh aus dem Bett, und hier ist's auch noch so todt, als wollte es nimmer Tag werden. – Prr! Sie schüttelt sich. Ist mir's doch wunderlich zu Muthe; sonst brachte mich die Base nicht aus dem Schlaf und jetzt bin ich immer die Erste aus den Federn. Das macht, glaube ich, die Furcht und das unheimliche Wesen hier. Sobald ich allein in der Kammer bin, sehe ich nichts als Hexen und Kobolde, da ist's denn freilich mit dem Schlafen vorbei! 's ist aber auch Alles wie verdreht hier im Hause, seit der verwünschten Walpurgis-Nacht – mit der Base ist's gar nicht mehr auszuhalten, die ist wie umgewechselt, und der Vetter, Schlägt die Hände zusammen. der ist, als gehöre er gar nicht ins Haus und als wären sie nicht mehr Mann und Frau. Ja, jetzt weiß ich, warum ich mich so schrecklich fürchte, weil kein Mannsbild mehr im Hause ist. Seit er von der Reise kam, hat er sich drüben im Legt den Finger an die Nase. Hm, hm! Sonst ging das Hammerwerk Tag und Nacht ohne den Vetter – dahinter steckt etwas! – Freilich, Else ist meine Base, aber daß er sie nicht mehr mag, nehme ich ihm nicht übel; denn sie ist so verändert – so – ich möchte sie auch nicht mehr, wenn ich wäre wie er. – Was sie nur des Morgens in der Kammer dort immer treibt? Neugierig war ich mein Tage nicht, aber das möchte ich doch endlich wissen. – Horch! es rührt sich was drinnen – das ist sie! Ich muß einmal sehen, was sie macht. Schleicht auf den Zehen an die Thür. Neugier ist gewiß nicht mein Fehler, aber das müßte ich wissen, und wenn's mein Tod wäre! Bückt sich zum Schlüsselloche. Ei, der Tausend, was hat sie da für eine seltsame Pflanze vor sich stehen? so was sah ich in meinem Leben nicht. Wie der Thau auf den breiten schönen Blättern steht! Das ist kurios – in der Kammer liegt der Thau auf dem Gewächs, wie kommt der herein durch die Decke? – Das geht nicht mit rechten Dingen zu! Sieh einmal, was macht sie da? Verwundert. Sie wäscht sich das Gesicht mit dem Thau von den Blättern! Jetzt sieht sie auf. Fährt plötzlich von der Thür zurück, so daß sie einen Sessel umwirft. O weh, da ist sie schon.
GERTRUD-ELSE bestürzt. Was giebt es hier? Welch ein Gepolter! Was soll's? Sie hält die Hand vor die Lampe, welche sie blendet. Du bist es, Suse?! Streng. Was suchst Du hier?
Ich, Base? gar nichts!
GERTRUD-ELSE. Du übernimmst wohl das freundliche Amt, mich zu belauschen, von Rudolph dazu gemiethet? Immerhin! ich habe mich längst daran gewöhnt, eine Fremde im eigenen Hause zu sein.
Aber Base, was fällt Euch ein? Was führt Ihr für anzügliche Redensarten? Ich komme eben aus den Federn, suche schlaftrunken nach dem Schlüssel zur Hausthür und werfe einen Stuhl um – das ist Alles. Läuft hin, nimmt den Schlüssel vom Tische, geht gleich damit in den Hintergrund, öffnet die Thür, welche nach innen zu aufgeht. – Von Außen sieht man nun das Halbgitter wie im zweiten Act.
GERTRUD-ELSE spricht indessen. Es ist schon heller Tag, die Lampe hat ausgedient. Verlöscht sie. Suse, mich täuschest Du nicht, Du wolltest mich belauern – Du bist eine verschmitzte Dirne, ich habe Dich längst durchschaut; es freut Dich, daß Rudolph und ich in Unfrieden leben.
Nein, Base, das ist mir zu viel! Ihr mögt wohl Recht haben, daß ich Fehler habe – lieber Himmel! Menschen sind wir Alle, aber schlecht war ich mein Tage nicht, und das müßte ich wohl sein, könnte ich mich darüber freuen, daß zwei Eheleute, die sich Jahrelang liebten, auf einmal mit einander leben wie wildfremde Leute. Der Herr wohnt auf dem Hammer, Ihr hier im Haus – und sprächet Ihr nicht zuweilen zwei Worte, sollte man denken, Ihr ginget einander
GERTRUD-ELSE auffahrend. Schweig, ich will nichts hören von sonst und jetzt.
Nun ja, es ist doch wahr; sonst sah mich der Vetter Tage lang nicht an, jetzt ist er oft freundlicher mit mir als mit Euch.
GERTRUD-ELSE faßt sie fest am Arm. Nicht wahr? Siehst Du das auch?
Base! Ihr thut mir weh! Laßt mich los.
GERTRUD-ELSE schleudert ihren Arm fort. Du mußt fort aus diesem Hause. Für sich. Alles, Alles soll nach und nach verschwinden, was ihm das Sonst täglich vor die Seele führt! Laut. Suse, der Schneider Martin hat um Dich geworben, Du wirst ihn heirathen, hörst Du?!
Base! Was sagt Ihr?! Habt Ihr nicht vor drei Monden selbst erlaubt, daß ich ihm die Thür gewiesen? –
GERTRUD-ELSE. Und heute bin ich andern Sinnes – Du wirst noch in dieser Woche sein Weib, oder Du magst Dein Brod als Magd suchen, wo es Dir gefällt; ich habe Dich lange genug gefüttert.
Base, Gott verzeih mir die Sünde! – Das kann nicht mit natürlichen Dingen zugehen! Ihr müßt verhext sein; denn das seid Ihr ja gar nicht mehr selbst!
GERTRUD-ELSE. Wohl bin ich nicht mehr die weiche Thörin, die ich gewesen; fürchten lernen und zittern bei meinem Anblick. Hörst Du Suse? Ihr Alle sollt vor mir zittern lernen. Geht wieder in ihr Zimmer links ab.
Ach lieber Gott! Das brauche ich nicht erst zu lernen, ich zittere jetzt schon an Arm und Bein! – Welch ein Satan ist denn in dies friedliche Haus eingezogen? O wäre doch nur der Hanns da, der würde Augen machen! – Den Martin heirathen, oder in die weite Welt gehen? Ach, was soll aus mir werden!
Guten Tag, Suse! – Was ist Dir? Er geht hin und nimmt ihr die Hand von den Augen. In Thränen, am frühen Morgen? Mit einem schweren Seufzer. Da ist wohl Else schon wach?
Ja wohl, Vetter! Ihr Morgengruß war, daß ich den häßlichen Martin heirathen müsse, oder in die weite Welt gehen könnte.
Ja, ja, so etwas sah ich lange kommen. Arme Waise, ich werde Dich nicht verlassen! Thue, was Du willst, Du bist glücklich, denn Du kannst aus diesem Hause ziehen, das Ruhe und Glück auf ewig floh.
So? – meint Ihr, damit sei mir gedient, Vetter? Seit Jahren habt Ihr Vaterstelle an mir vertreten, Ihr seid unglücklich, und ich soll Euch verlassen? Was soll aus dem armen Friedel werden, wenn ich nicht für ihn sorge – und – der Hanns ist ja doch auch auf dem Hammer. Nein, Vetter, ich kann wahrhaftig nicht fort.
Großer Gott! Dahin ist's gekommen, daß ohne dies wackere Mädchen mein Haus verödet ist! – O Else! einst meine Seligkeit – was ist aus Dir geworden?
Ja, das weiß der Himmel! Aber Vetter, nehmt mir's nicht übel – Eins wie das Andere. Auch Ihr seid nicht, wie Ihr solltet, die Reise nach der Erbschaft hat Euch ganz verwandelt.
Nein Suschen! Die Reise nicht – Else hat mich verwandelt. Mit frohem, seligem Herzen flog ich am Tage meiner Rückkehr in ihre Arme, sie umschlang mich mit heißer Inbrunst und rief: »Endlich, Rudolph, endlich!« – Aber es war die liebe Stimme meiner Else nicht mehr, ich hielt sie umschlungen, sie war's und doch mir so ganz fremd geworden! Als es Abend wurde, als die Gebetglocke aus dem Thale zu uns herüberklang, faltete ich die Hände und dankte dem Herrn, daß er mich glücklich wieder zurückgeführt in den Kreis der Meinen. Else betete nicht mit mir, sie saß schweigend an meiner Seite und als mein Blick den ihren traf, da war mir plötzlich – aber Suse, verrathe nicht, was Du jetzt hörst – mir war's, als schauten aus Elsens liebem, freundlichem Gesicht mich – Gertruds wilde Feueraugen tückisch an. Der Blick ging mir durch Mark und Bein. Von diesem Augenblicke verschloß sich ihr mein Herz. Als die Nacht einbrach, ergriff mich ein unbeschreibliches Gefühl, blieb es! Seit ich heimgekehrt, hat sich nie Ein Dach ob unserem Schlaf gewölbt. Ich kämpfe mit dem eignen Herzen – sobald der Tag erwacht, zieht mich die einst geliebte Gestalt in ihre Nähe. Doch klingt mir ihr Ton oder funkelt mir ihr Blick entgegen, dann faßt mich kaltes Grausen und ich möchte fliehen, wär's auch in mein frühes Grab.
Vetter, was Ihr da sagt, kommt mir sehr seltsam vor, und nun erst, da Ihr so was zu sehen geglaubt, Ihr, so ein vernünftiger Mann, darf die Suse auch sagen, was sie gesehen. Aber Vetter, verrathet mich nicht; denn seit einiger Zeit fürchte ich die Base so sehr als den Gottseibeiuns! In der Nacht, ehe Ihr aus Linz kamt, war's gar unheimlich hier im Hause. Ich hörte Frau Elsen noch spät sprechen, und da guckte ich – aber nehmt's nicht übel, Vetter, 's ist so meine Art, wenn ich gerne etwas aus dem Grunde wissen will, ja ich guckte dort in meiner Kammer ein Bischen durch's Schlüsselloch, und sah, wie die Base dort in der Thür lehnte, und in die Nacht hinaussprach, und ich erkannte die Stimme der unheimlichen Gertrud, von der die Leute immer munkelten, daß sie mit Hexen und Geistern verkehre. Auf einmal fiel mir ein, daß es Walpurgisnacht sei, und ich fing an, mich so zu fürchten, daß ich zähnklappernd in's Bett sprang und die Decke über die Ohren zog. Nach ein Paar Stunden hörte ich ein Gepolter, ich sprang wieder zur Thür, da sah ich – aber Vetter – lacht mich nicht aus – ich sah durch's Schlüsselloch, wie die Base Deutet auf den allgemeinen Eingang. dort herein huschte, als hätte sie Flügel. Sie trug eine Pflanze im Arm, eine Lampe in der Hand, und ging damit nach der Kammer, das Licht fiel auf ihr Gesicht und es kam mir auf einmal vor, als sähe ich Gertruds bleiche Züge und ihre Feueraugen. Das Licht mußte mich so seltsam getäuscht haben; denn als sie wieder herauskam,
Suse, was Du mir gesagt, klingt wunderbar – ja, fürchterlich! – Wenn Dich auch Furcht und Schrecken getäuscht haben mögen, so viel ist gewiß, Else ist nicht mehr, die sie war. – Ich mag den unheimlichen Grund davon nicht erforschen. Der Himmel wolle mir's vergeben, aber ich muß mich bezwingen, sie nicht zu hassen.
O ja, die Mutter liebt mich auch. Er zieht Susen an der Schürze
bei Seite. Lieb' Suschen, gieb mir doch ein Stücklein Brod, sag es aber dem Vater nicht, daß der arme Friedel so sehr hungert. Gestern gab mir die Mutter nichts zu essen.
Gewiß, Suschen, Du kannst's glauben. Ich weinte gestern so sehr und sagte: »Mutterchen, kommst mir gar nicht mehr vor, als wenn Du dasselbe gute Mutterchen wärst. – Sei wieder wie sonst, da hatten wir Dich alle so lieb!« Da schlug sie mich, und warf mich zur Erde, und gab mir kein Abendbrod. Ach Suse, mir ist wohl recht weinerlich zu Muthe, aber ich darf nicht, sonst sieht es der Vater, dann wird sie wieder böse.
Großer Gott! Das arme, liebe Kind mißhandelt die Rabenmutter! Komm Friedel, ich will Dich schützen, ich will Dich ihren Händen entreißen. Komm, mein Kind.
Willst mich forttragen, Vater? O thu's nicht, laß mich hier, 's ist ja doch mein Mutterchen lieb, und singt sie mich auch nicht mehr wie sonst in den Schlaf, so erscheint sie mir doch wie sonst im Traum, und dann hat sie mich so lieb – so lieb – Bleib da, Vater!
GERTRUD-ELSE. Guten Morgen, Rudolph.
Ich weiß, worauf Du zielst, Else! Du denkst an Gertrud, die mich mit ihrer Liebesgluth verfolgte, und die ich von mir stieß, weil meine Treue Dein war; doch damals warst Du liebenswerth, nun hast Du Dich verwandelt, Dein Herz ist dem meinen fremd geworden.
GERTRUD-ELSE schmerzlich. Rudolph! – Trage ich die Schuld? Habe ich jemals aufgehört, Dich zu lieben?
Nein Else, das glaube ich nicht, und dennoch. –
GERTRUD-ELSE ausbrechend. Ich muß, Rudolph, ich muß! So kann's nicht bleiben, es muß anders werden, – endlich muß es klar sein zwischen uns. Seit Du von Linz zurück bist, gab's nur einen Augenblick, wo Liebe mir aus Deinen Augen strahlte, es war der erste Augenblick des Wiedersehens. Seitdem bin ich, die Hausfrau, Dir eine Fremde, mein Anblick verscheucht Dich aus Deinem Eigenthum, Du fliehst die Mauern des eignen Hauses, Du liebst mich nicht! Rudolph, seit ich Dich kenne, hab' ich Dich geliebt mit gränzenloser Liebe. Unsägliches hab' ich um Dich gelitten, tausend Thränen um Dich geweint. Dumpf. Du weißt nicht Rudolph, was ich Dir geopfert – ich habe nichts – nichts im weiten Reich der Dinge, als Dich, auf Dich bin ich gewiesen mit allen Hoffnungen, Freuden, ja, meine Seligkeit, sie ruht in Dir. Ohne Deine Liebe ist mein Dasein eine ewige Qual, ein langer Schmerz, der nagend mein Lebensmark zerstört. Rudolph, verlaß mich nicht, ich kann nicht leben ohne Dich! Sinkt an ihm nieder.
Else, Du zerreißest mir das Herz! Habe ich je aufgehört, Dich zu lieben? Ist es meine Schuld, daß, während Du an meiner Seite stehst, eine unbegreifliche Sehnsucht meine Seele hinauszieht, hinaus –
GERTRUD-ELSE außer sich. Zu ihr?!
Zu wem?
GERTRUD-ELSE plötzlich gefaßt. Zu einer Andern, Verräther! Fremde Liebe fesselt Dich, sonst könntest Du unmöglich ein Herz wie das meine, eine Treue, wie die meine, kalt von Dir stoßen! Rudolph, ich
Weib –! Else –! Bist Du's noch, die einst in meinen Armen lag, und weinend schwur: ihr ganzes Dasein einzig meinem Glück zu weihen? Nein! Nein! Die Welt hat sich verkehrt, Du bist's nicht mehr die ich geliebt, für die ich mein Herzblut hingegeben hätte! Alles ist Trug und Falschheit. O fort, hinweg, daß ich die lügnerischen Züge nicht mehr schaue. Stürzt hinaus.
GERTRUD-ELSE bedeckt mit den Händen ihr Gesicht. Wehe mir, verloren Alles! Alles!
Base! Base! – geht doch schnell hinüber zum Hammer; die Gesellen zanken sich auf Tod und Leben. Hiebe hat's schon abgegeben, und macht Ihr nicht Friede, giebt's noch Mord und Tod. Den armen Hanns haben sie schon blau geschlagen.
GERTRUD-ELSE. Schon gut – ich gehe! Du aber Suse, erwartest hier den Bräutigam, und kommt er, so holst Du mich augenblicklich vom Hammer; hörst Du, ich will's! Durch den Haupteingang ab.
Sieht ihr nach. »Ich will's –!« Ich aber will's nicht! Werde es wohl bleiben lassen, sie herbeizuholen, da müßte ich toll geworden sein! – Dem Hanns hab' ich mein Leid geklagt, der meinte, lieber mit einander in's Hammerwerk springen, als den Meister heirathen. Resolut. Nein! Da denke ich ganz anders! – Vor der Hand laufen wir lieber ein Bischen auf und davon, in's Wasser springen können wir immer noch, wenn uns das nicht behagt; die Donau wird indeß nicht davon fließen. – Aber schau, Sieht sich um. nun wäre ich wieder einmal ganz allein im Hause, – nun könnte ich spekuliren, was die Base mit dem grünen Laubwerk dort drinnen macht. Wichtig. Ich habe mir das Ding überlegt – eigentlich hab' ich bemerkt, daß, wenn die Base todtenbleich und mit finsterer Stirne da hineinging, kam sie immer mit rothen Wangen und heitern Zügen, ganz frisch und glänzend wieder heraus. Sollte es gar ein Schönheits mittel sein? Ja, ja, so ist's; umsonst wäscht sie sich nicht mit dem Zeug! – Wer da hinein könnte. Ich bin zwar schon so ziemlich hübsch, aber – ein Paar Mal waschen könnte mir nicht schaden; da wär's vollends vor Schönheit nicht mehr zum Aushalten mit mir. Schleicht hinzu. Ja, dergleichen verschließt unsereins gut, die Base ließ wohl auch den Schlüssel nicht stecken. Wie? Nein beim Himmel, es ist offen! Das hat sie gewiß vor Zorn über mich vergessen. – Suse, jetzt kannst Du Dein Glück machen, in der Welt kann man so nie schön genug sein. Ich probier's einmal mit dem kuriosen Kraut, – was kann's mir thun? Ha! Dann will ich erst den Hanns verblüffen, der wird Augen machen, wenn er mich wieder steht, schön wie eine Prinzessin! Nur Muth, Suse, Muth! Schlüpft in die Kammer, eben als Hanns eintritt.
Denk nur, Suse – wo ist sie denn hingekommen? Ging sie nicht eben dort hinein? Suse! Die hört und sieht nicht. Geht hin und stößt die Kammerthür auf. Suse! Was treibst Du da? Verblüfft. Die wäscht sich erst?
Aber höre nur! Sieh Dich nur um! Fährt plötzlich zurück. Wa – was Teufel! Das ist ja Frau Elsens Gesicht! Fällt auf die Knie, und schlägt ein Kreuz.
Gott steh mir bei! das ist Hexerei.
Was fällt dem Dummkopf ein? Was erschreckt er mich so, und was kniet er dort und klappert mit den Zähnen?
Ja, da mag ein Andrer nicht klappern. Erst stehst Du mit dem Rücken gegen die Thür, und ich sehe Dich eifrig Dein Gesicht waschen, dann wendest Du Dich um, und auf einmal hast Du Frau Elsens Kopf auf, wie sie leibt und lebt. – Drauf rufe ich in meinem Schrecken den lieben Gott an und schlage ein Kreuz – da fährt eine blaue Flamme durch die Kammer, und Du bist wieder die Suse!
Was, Du nennst mich eine Gestalt? Beide Arme in die Seite stemmend. Was willst Du damit sagen, he? Was?
Um's Himmelswillen Suse, bleib stehen, wende Dich nicht um. Vorher warst Du von rückwärts meine Suse und als Du Dich wandtest, hattest Du Frau Elsens Gesicht – jetzt bist Du von vorne die Suse, wer steht mir denn dafür, daß Du nicht Frau Elsens Gesicht auf dem Rücken hast?
Hanns, nun reißt mir die Geduld, gleich sei gescheidt. Willst Du mich als deine Suse anerkennen, oder nicht?
So, nun schlage auf den Tisch, daß es patscht, thu' es! ich muß ein Zeichen haben, daß Du es selbst bist, nicht ein höllischer Spuk.
Mir kam's auch seltsam vor, als Du den lieben Gott anriefst und das Kreuz schlugst, da fuhr es mir wie ein Schlag durch alle Glieder. – Hanns, mir geht ein Licht auf! Gott steh uns bei! Ich hatte doch recht. Die Base hat sich auf die Hexerei verlegt. Das kommt gewiß von dem wunderlichen Kraut, mit dessen Thau ich mir das Gesicht wusch! Da könnte ja jeder die Else vorstellen, der das Kraut hat. Hanns, mir läuft's eiskalt über den Rücken, ich rühre das Hexenzeug im Leben nicht mehr an. Aber dem Vetter will ich's sagen, damit er doch weiß, was die Base treibt. O Hanns Fällt ihm um den Hals. lieber Hanns! was wird noch aus uns Allen werden?
GERTRUD-ELSE noch im Hintergrunde. Ha, freche Dirne, deshalb jagtest Du mich zum Hammer hinüber, um ungestraft hier mit dem Burschen kosen zu können? Vorkommend. Das ist zu viel; solch Treiben unter meinem Dache soll nicht länger währen. Ich meinte es gut mit Dir, wollte Dein Glück machen; doch Du verdienst es nicht. Schnüre Dein Bündel und hebe Dich von hinnen, der Abend soll Dich nicht mehr unter diesem Dache finden.
Base – Base! – Um des Himmelswillen, habt ein Einsehen, jagt Eure nächste Blutsverwandte nicht so grausam in die weite Welt hinaus. Nein, Ihr könnt nicht so an mir handeln.
Frau Else, habt ein Einsehen, wir bitten Euch.
GERTRUD-ELSE. Ihr sollt sehen, daß ich kann, was ich will. Hinweg mit Euch Allen. Ich mache jetzt einen Gang in die Felsen, in der reinen Luft des Berges nur ist mir wohl. In einer Stunde komme ich wieder heim; trachte, daß Du dann schon weit von meinem Hause bist, hörst Du Dirne? Weit! – Denn finde ich Dich noch hier, dann wehe Dir! Ab, wo sie kam.
Wird sich schon finden. Der erste Schreck ist vorüber, die Base hatte mich anfangs wohl verblüfft, aber so was dauert bei mir nicht lange.
Denkst Du, ich werde mich von der Base so mir nichts, dir nichts aus dem Hause jagen lassen? Schau, jetzt steigt mir erst die Galle auf! Mit den Armen in der Seite. Was bildet sie sich denn ein? Wer war sie denn? Eine blutarme Dirne, wie ich. Das Haus gehört dem Herrn, und um mich hinauszuwerfen, braucht's Zwei. Nun Hanns, Nimmt ihn unter den Arm. laß Dir den Schrecken vergehen, der Vetter ist gewiß auf der Sensenschmiede, wir laufen zu ihm und sagen ihm Alles, und heißt Er mich gehen, na Hanns – dann muß ich freilich mein Bündel schnüren, aber dann – dann schauen wir uns zusammen die Welt an, sie soll recht groß und hübsch sein, wir sind zwei kluge Leute, ich kann reden zur rechten Zeit, Du verstehst zu schweigen, wo Du mußt, und da kann's uns gar nicht fehlen. Es thut nichts, wenn Du auch nur ein Lehrbursche bist, will mit der Zeit schon einen Meister aus Dir machen! Also nur muthig, Hanns, es wird Alles recht werden! Alles dies spricht sie im Abgehen. Man sieht Beide durch die Fenster über die Hügel links gehen. Sobald sie ab sind, kommt.
Sie eilt vor Freude sprachlos in den Vorgrund, wirft den Pilgerstab von sich und ruft. Da bin ich! Guter Gott, da bin ich! Mag mich auch das Schlimmste erwarten, die Mauern meines Eigenthums umschließen mich – ich bin daheim! – Wie still und öde ist Alles hier? – Als stünde das Haus leer und verlassen, so war's nicht in den Tagen unserer frohen Eintracht. O Himmel, was werde ich entdecken müssen! Ist denn Niemand daheim? Nicht Rudolph, nicht Friedel? Wo sind die Meinen? Eilt in die Kammer, wo Gertrud bei Anfang des Actes herkam.
Vergebens! Nirgends finde ich Ruhe, nirgends den Seelenfrieden, der mich auf ewig floh! So kann es nicht bleiben, so nicht! Ich bin ein zu Grunde gerichteter Mann! Else oder ich muß diesen Ort räumen; geht sie nicht willig, so nehme ich mein Kind, fliehe aus der Heimath und suche eine Stätte, mein Haupt ruhig zu legen, gleichviel wo es sei.
Auch hier Niemand. Alles leer! Sie eilt in das Zimmer und ruft von ihrem Gefühle überwältigt. Rudolph!
Wohl kenne ich Dich! – eben schwurst Du mit ewigem Haß mein Dasein zu vergiften. Du hast Dein Wort schon längst erfüllt.
Ich? Ich?! Großer Gott, nur jetzt laß mich nicht erliegen, nur jetzt erhalte meine Sinne! Rudolph, das war nicht ich – ich lebte fern von Dir seit drei Monden, mein Leichtsinn trennte mich von Dir, ach, und alles Leid der Erde hat sich indeß an meinen Schritt gekettet. Rudolph, mit bebendem Herzen nahte ich Dir. Wenn meine Kräfte schwanden, wenn meine Füße bluteten vom raschen Lauf – »zu ihm, zu ihm« jubelten dann tausend Stimmen in meiner Brust, und fort eilte ich durch Nacht und Sturm, durch Regen und Gewitter! O Rudolph! hab' ich das um Dich verdient! Dein treues Weib, die Mutter Deines Kindes stößest Du kalt zurück? Sieh die heißen Thränen, die mir gewaltsam aus den Augen stürzen – Rudolph, spricht diese Stimme nicht zu Deiner Seele, so möge der Tod meine Lippen auf ewig verschließen.
Gott! Diese Töne! – Else! Breitet die Arme nach ihr aus, schaudert zurück. Nein, Lügenbild, zu oft und bitter hast Du mich getäuscht. Hinweg!
Friedel! Friedel! O Du mein herzliebstes Kind! Komm, laß Dich küssen, bis mir die Wonne das Herz zerbricht.
Der Vater verstößt mich – Kind, das ich unter meinem Herzen trug, schweigt auch in Dir die Stimme der Natur?
Vater, Vater! Ja glaub's nur, das ist die rechte Else! Schlägt die Arme um ihren Nacken. Das ist mein liebes altes Mütterlein.
– Else, hoch aufgerichtet, Gertrud mit dem Weihwasser besprengend. Im Namen des Dreieinigen Gottes, Verlorene! zeige Dich in Deiner wahren Gestalt!
Verloren Alles! Weh! – Wehe! – Wehe! – Umsonst mein Heil, mein Lebensglück vergeudet. Euch sehe ich selig, mich verschlingt der Abgrund des Jammers! Rudolph, ich kann nicht leben ohne Dich. – Lügengeister, die ihr mich getäuscht, gebt mir den Tod – das ist Alles, was mir eure fürchterliche Macht gewähren kann – den Tod – den Tod! – Ein Knall erschüttert die Luft. – Sie stürzt zusammen mit dem Rufe. Wehe! wehe!