Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Mein Sohn, die Stube hier, die ich euch indessen eingegeben habe, ist meine und meiner lieben Frau ihre Putzstube! Und ihr wißt, daß wir und ihr, heute einen Besuch kriegen werden, der zu eurem Besten abgesehen ist. Ich weis nicht, warum ihr beständig so viel Sachen hier habt, die zu eurer Advocaterey doch gewiß nicht gehören können. Da sind Pistolen; da sind große Reitstiefel; da sind Spornen; hier steht ja gar Malerzeug: dort stellt eine Laute. Bücher
Warum denn aber? Wenn Jungfer Lieschen weds, daß ich so vielerley kann, daß ich schön reite, daß ich schön zeichne, daß ich schön die Laute spiele, und was noch alles mehr ist: so wird sie mich desto lieber haben.
Ey! ihr müßt sie wohl recht kennen! Hört, Fortunat, glaubt ihr eurem Stiefvater, Sylvestern. Der kennt sie besser! Das sage ich euch. Ich weis gar nicht, was ihr für ein Mensch seyd. Es ist wahr: ihr könnt vielerley. Aber ich denke doch immer, was ihr können sollt, das könnet ihr nicht. Ihr bekümmert euch um alles: aber um eure Juristerey, die euch ernähren soll, habt ihr euch mein Tage noch nicht viel bekümmert. Ihr thut den ganzen geschlagenen Tag, als wenn ihr der geschäftigste Mensch von der Welt wäret. Aber ich habe noch nicht gesehen, das ihr was gethan hättet, das ihr gesollt habt; oder daß ihr es gethan hättet, wenn ihr gesollt habt.
Je! was unnütze ist, das ist unrecht Ich bin ein alter Mann geworden, und habe manchen Groschen erworben. Aber ich kann euch auf mein Leben versichern, ich kann nichts mehr, als einerley. Ich handle mit Pelzen, und kenne meine Pelze und zwar recht; aber sonst nichts auf der ganzen Gotteswelt: insonderheit aber die Fuchspelze; und der soll noch gebohren werden, der mich betrügen wird!
Nichts, als Pelze? Ich wüßte nicht! Ich stürbe doch vor langer Weile, wenn ich mit nichts, als mit Pelzen zu thun haben sollte. Ich male sehr gerne: aber wenn ich nichts als malen könnte, und hätte sonst nichts lernen sollen; so glaube ich doch, ich hätte aus Verdruß das Corpus Juris gelesen, so langweilig als es immer ist. Und wenn ich allein reiten, oder allein auf der Laute spielen sollte; so hätte ich meine Stiefeln und meine Laute lange ins Feuer geworfen.
Es mag ihr Ernst seyn, oder nicht, Herr Vater: so ist es doch wahr. Ich wundre mich nur selber über meine Geduld. Heute den ganzen Morgen habe ich getuscht. Und wenn der Herr Vater nicht gleich nach Tische mitgegangen wäre: so glaube ich, ich säße schon wieder da.
Ich habe es gesagt, daß ich nichts weis, als von Pelzen. Ihr meynt doch nicht etwan, wie die Felle gezeichnet sind. Denn, was machten die Juristen mit den Fellen?
Ja, wenn ihr mir gesagt hättet, daß das ein Bild wäre: so hätte ich es zur Noth auch gewußt. Denn da ich ein kleiner Junge war; so hatte ich auch gern kleine Bilderchen. Aber getuscht und gezeichnet, das verstehe ich nicht.
Wer wird denn sprechen? Ich habe ein Bild gemacht. Nicht wahr? so hätte ich sagen sollen? aber so hätten mich alle ehrliche Maler ausgelacht.
Wenn ihr aber mit mir redet: so redet ihr mit keinem Maler; sondern mit Herrn Sylvestern, einem Rauchhändler. Aber, mein Sohn, darüber habt ihr nun den ganzen Morgen zugebracht! Müssen denn die Advocaten auch malen?
Herr Vater! Klagen und Läuterungen werden sie freylich nicht malen. Ich will ja nicht eben ein Advocat seyn: das ist es nur, womit ich mein Brodt verdienen, und auch noch eine Frau ernähren will; wenn es nicht anders angeht. Aber das übrige ist zu meinem Vergnügen.
Wenn es nur zu eurem Vergnügen ist; so hättet ihr es, dächte ich, wohl heute seyn lassen sollen. Ihr wißts wohl! Es ist heute viel für euch zu thun. Itzt ists über ein Uhr. Um zwey Uhr sollt ihr zum Minister kommen, und da könnt ihr vielleicht eine Bestallung kriegen, daß ihr zeitlebens versorgt seyd. Um drey Uhr hat sich die Frau Richardinn und ihre Tochter Lieschen melden lassen: da wißt ihr auch, weswegen es geschieht. Und wenn ich recht denke, so hat mir ja eure Mutter gesagt, daß ihr mit unserm Vätter auf dem Rathhause vorstehen und ihm helfen solltet. Das ist nun sehr viel in sehr weniger Zeit!
Warum denn nicht? Es ist noch lange nicht zwey Uhr. Sehen sie, Herr Vater. Das ist ein Fuchs, der die Weintrauben nicht erlangen kann, und davon geht, und spricht: ich mag sie nicht. Es sind der sauern!
Darum bekümmre ich mich nicht, ob er weißlich ist, oder grau oder gelb. Was getuscht ist: ist alles weißlich und schwärzlich.
Ja! Herr Vater. Ach! es ist gut, daß sie mir das sagen. Ich will sie abzeichnen, wie sie leben. Setzen sie sich nur: es währt nicht lange.
Behüte Gott, nein! das Ding kostet euch Zeit, und kostet euch Geld! Nein! nein! ich will nicht getuscht seyn. Macht, daß ihr bald zum Minister kommt. Es ist besser zu zeitig, als zu spät.
Ach! was wird es viel Zeit und Geld kosten? Ich will sie abzeichnen. Herr Vater, gewiß! wenn sie es haben wollen; so will ich sie in einem Laden voll Fuchspelze zeichnen, und wohl zehn Käufer um sie herum. Es ist nur um ein paar Tage Zeit: so ist es geschehen. Setzen sie sich, Herr Vater. Ich will anfangen.
Ein paar Tage Zeit! Nicht wahr? ich setze mich daher zu euch, und versäumte die wirklichen Käufer, euren gemalten Käufern zu gefallen, die ihr um mich herum setzen wollt? Es ist itzo gar nicht Zeit. Ich muß nun nach Tische wieder an mein Geschaffte. Der Besuch wird mir ohnedem Zeit genug nehmen. Macht ja, daß ihr heute den Nachmittag nichts versäumet. An diesem Nachmittage ist euch in eurem ganzen Leben gelegen.
Cathrine, und wenn ihr euch hiengt: so räume ich euch doch noch nicht auf! Erst muß ich noch malen. Hernach muß ich mich noch, vom Fuß auf, anders anziehen.
Ich glaube doch, sie ziehn sich für die lange Weile, den Tag über immer wechselsweise an und aus. Was wollen sie denn noch anziehen? Ich dächte, sie machten lieber, daß sie ein Bißchen unangezogener wären: denn sie sehn mir gar zu angezogen aus. Und das schickt sich für einen Advocaten nicht.
Ach! was fehlt denn Rennern? wenn er gleich beständig thut, als wenn er es versäumen wollte: so ist er doch besser, als sie.
Das glaube ich! Insonderheit, wenn wir alle beyde Bothenläufer wären: so wäre er einen großen Theil besser als ich.
Ist ihnen nicht einmal wieder ein Pfund Puder vom Kopfe auf die Kleider gefallen? Nun so kommen sie her! Es ist doch wohl wahr: sie haben das Kleid garstig gemacht. Aber ihr Kopf sieht noch viel garstiger aus.
Sie sagen ja, sie haben das Kleid garstig gemacht, weil Puder drauf liegt: so muß der Kopf wohl noch viel garstiger seyn, denn da liegt noch viel mehr Puder.
Nun! so lassen sie mich nur geschwind machen. Von rechtswegen soll ich itzo die Stube anputzen und nicht sie.
Und ich wollte mein Kleid ausgekehret haben, weil mir Puder darauf gefallen war, der auch nicht drauf gehört.
Ja! damit sie in einem reinen und wohlausgekehrten Kleide sich hersetzen und malen möchten, und damit hernach Jungfer Lieschen ihnen und ihrer Mama in einer unreinen und ungeputzten Stube ihren Besuch abstatten möchte.
Ich könnte daher treten! Bilden sie sich nur nicht ein, daß ich nun aufräumen will. Ich gehe meiner Wege: mögen sie doch gleich ewig malen.
Glaube ich doch wohl, Fortunat! du bist gar fleißig? Du solltest mir ein Bißchen auf der Laute spielen. Aber es ist gut: ich will dich nicht stören.
Kommen sie doch, Mama; ich bitte sie recht sehr. Kommen sie doch, und sehen sie her. Wenn sie mir gute Worte geben: so will ich ihnen das ganze Zimmer mit solchen Zeichnungen aushängen, wie die ist.
Das Zimmer nur? Ich hätte lange gerne in alle meine Stuben Bilder gehabt. Es wohnt sich so hübsch in solchen Stuben. Wenn man den ganzen Tag nichts zu thun hat: so darf man nur die Bilder ansehen, so wird einem schon die Zeit nicht lang.
Warum haben sie mir das nicht lange gesagt, Mama, daß sie die Bilder so lieb haben? Ich hätte manche überleye Stunde daran wenden können. Ich will aber schon sehen, wie ich es ende. Sie sollen bunte Bilder haben, Mama. Nicht wahr, die sind ihnen lieber? Bunte Bilder will ich ihnen malen. Ich will noch heute Farben dazu anschaffen. In einer Stube will ich ihnen Schäfereyen, in der andern Jagdstücke, in der dritten Prospecte, in der vierten Schlachten malen. Und in ihre Schlafkammer sollen lauter Nachtstücke kommen. Ich will schon sehen, wie ich fertig werde. Man kann in einem Jahre viel malen.
Ach! hören sie doch, Mama; ich muß ihnen was vorsagen. Ich muß ihnen Verse vorsagen, und zwar die ich heute über Tische in ihrer aller Gegenwart gemacht habe.
Ja, ja. Sie wundern sich darüber? es ist aber nicht anders. Der Herr Vater redte gleich von Füchsen: unterdessen machte ich Verse.
Ja, ich weis nicht, was das für eine Laute seyn muß. Es müßte stille Musik seyn: denn du bist allezeit ein rechter Stock, wenn du Verse im Kopfe hast.
Es schadet nichts: sehen sie nur, Mama: das ist der Unterscheid. Wenn man auf der rechten Laute spielt: so klingt es gleich, wenn man sie schlägt; und auf der poetischen klingt es erst, wenn man fertig ist.
Oben drüber setze ich: Als er sich entschloß zu lieben. Oder: Er entschließt sich zu lieben. Welches ist denn besser?
Als er sich entschloß zu lieben, oder, er entschließt sich zu lieben. Bey meiner Treu, Fortunat, da sehe ich keinen Unterscheid.
Ich kann aber doch wohl nicht alles beydes setzen. Und wenn ich eins setze: so muß ich das beste setzen.
Ja, Fortunat. Wenn daran so viel gelegen ist, so mußt du jemanden fragen, der verständiger ist, als ich. So tief geht meine Einsicht nicht.
Wenn das die Verse sind, die du über Tische gemacht: so wundert michs nicht mehr. Ich dächte, die Verse hättest du auch zur Noth in einer Mühle mit zwanzig Gängen machen können.
Warum gefielen sie mir denn nicht? Die Verse sind schön, Fortunat. Spiele du mir nur nun auch auf der Laute.
Sie verstehen sich doch recht gut darauf, Mama. Es wundert mich nur, wo sie so viele Einsicht hernehmen. Sie wissen den Augenblick, was schön ist. Habe ich nicht recht viel gesagt?
Gewiß recht viel. Denn es steht doch in dem ganzen Dinge nichts mehr, als daß du lieben willst: und du hast so viel gesagt, daß gleichwohl nicht wenig Zeilen davon voll geworden sind. Ich dächte, weil du so viel darinnen gesagt hast: so könntest du wohl alles beydes oben darüber setzen: Als er sich entschloß zu lieben; und, er entschließt sich zu lieben. Denn es steht oft genug in den Versen drinnen, daß du es schon zweymal oben drüber setzen kannst.
Freylich wohl, versteh ichs nicht. Wenn ich deine Verse lobe, da versteh ichs wohl: aber, wenn ich sie nicht lobe, da versteh ichs nicht.
Sollte denn das nicht viel gesagt seyn? Hören sie nur: Denn lieben und entbehren, ist was, das heimlich quält.
Hast du die Verse gemacht? Ich habe gedacht, der Poet, daraus du mir neulich vorlasest, hätte die Verse allein gemacht So hast du sie auch gemacht? So sind die Verse zweymal gemachet worden? und du bist der andre Verfertiger dazu?
Ich könnte doch wohl unrecht haben, Fortunat Du mußt mirs zu Gute halten: ich verstehe es ohnedem nicht Sie sind eben so von einander unterschieden, wie deine beyden Ueberschriften: Als er sich entschloß zu lieben; und, er entschließt sich zu lieben.
Wenn es auch einerley Verse wären, was schadete es denn? Sie hören immer gern von juristischen Sachen reden. Ich will ihnen ein Exempel geben. Wenn ich Sammet an einen Rock nähte, und der Sammet gehörte mir gleich nicht: so würde er doch mein. Und also, wenn gleich Günther die Verse gemacht hätte: so hätte ich sie doch auch gemacht, weil ich sie an meine Verse angehangen habe.
Herr Fortunat! Ich treffe Herrn Stromen im ganzen Hause nicht an. Ich bin an die Hausthüre gelaufen, ob er etwa noch auf der Gasse gewesen wäre? Aber ich habe keinen Herrn Stromen gesehen. Er ist über alle Berge.
Da ist der ungezogene stürmische Mann gleich davon gelaufen. Mama! die dienten werden mich noch zu tode quälen. Ich habe zur Zeit nur einen: aber er ist ganz unerträglich. Ich zweifle, ob ich jemals mehr, als einen auf einmal werde annehmen können: denn sie machen es einem Menschen gar zu sauer. Denken sie doch, das ist das viertemal, daß er heute da gewesen ist. Und da ich mit ihm reden will, so läuft er davon. Ueber den verwünschten Termin! als wenn er ihn gleich versäumen würde.
Ich bitte dich drum: geh doch ja mit ihm hinauf. Friedrich, geht holt Herrn Stromen wieder. Er soll geschwind kommen.
Ums Himmels willen! Ich habe nun den Mann gebethen, daß er dich zum Advocaten annehmen soll, und du weist nicht, was du anfangen sollst. Gott sey mir gnädig, wenn du den Mann in Schaden bringst!
Ich habe aber den ganzen Bettel vergessen. Werde ich mich wohl darauf besinnen können? Es war ja von Tüchern.
Nun lassen sie es seyn. Ich denke ja nicht, daß wegen der Zeuge eine andere Proceßordnung seyn wird, als wegen der Tücher.
Mit einem Worte. Nein! ich will darauf sterben. Es war der Kläger und kein andrer Mensch. Der hat eine, zwey, drey, viere, nein drey Kisten Tücher von Stromen gehandelt, die von Görlitz kommen sollten. Nicht wahr? Und hernach kommen ihrer viere. Nicht wahr? Und da will der Kläger die vierte auch so wohlfeil haben, und Strom will nicht? Nicht wahr? Darüber haben sie einander verklagt.
Ich dächte ja, es müßte so gewesen seyn. Nicht wahr? Mama. Ja, es war so. Nicht wahr? Ach! sie sind auch gülden mit ihrem Gedächtnisse. Ich hätte mich auf das verwirrte Zeug nimmermehr besonnen. So wars. Gewiß, so wars. Nun will ich geschwind gehen, und jemanden fragen.
Ach nein! Mama. Den Minister versäume ich gewiß nicht. Es ist mir gar zu viel daran gelegen, kein Advocat zu seyn.
Sorgen sie doch nicht so. Ich bin ja den Augenblick wieder da. Wenn ich von einem Ende der Stadt bis zum andern laufen müßte; so wollte ich wieder da seyn. Sie sind gar zu sorgsam.
Nein! ich lasse dich nicht gehen. Hernach habe ich tausend Noth. Ist denn gar kein Mittel? Du lieber Himmel! weist du denn gar nicht, was du machen sollst?
Ey! das habe ich in dem deutschen Buche gesehen, daß ich da draußen unter deinem Bette hervornahm und aufhub. Das Ding klingt artig. Es gefiel mir gleich, da ich es las. Den Krieg Rechtens befestigen! Fortunat, siehst du. Da weist du ja nun, was du machen sollst.
Ey! der Henker müßte mich reiten, daß ich in das alte verdrießliche Buch sehen sollte. Ich wollte lieber tausendmal durch die Stadt laufen. Lassen sie mich nur gehen, Mama.
Aber komme doch ja bald wieder, Fortunat. Ich will selber unterdessen gehen, und in das Buch sehen. Wenn ich nur die Bücher für dich lesen könnte! du solltest ein Advocat werden, der gleichen weit und breit nicht ist.
Kommen sie nur herein, Hr. Strom, und verziehen sie ein wenig bey mir. Mein Sohn wird gleich wiederkommen.
Ist er nicht zu Hause? Wie? er läßt mich holen, und ist nicht zu Hause? Was soll ich denn, zum Teufel! hier machen?
Er mag in meinen, oder in des Henkers seinen Angelegenheiten ausgegangen seyn: was soll ich denn, wenn er nicht zu Hause ist?
Geben sie sich doch zufrieden. Er hat mir versprochen, daß er vor zwey Uhr wieder da seyn will: und er muß da seyn, denn es hat schon zwey geschlagen.
Ja, das sage ich ihnen, Frau Muhme: ihres Sohns dienten werden das Podagra gar nicht kriegen; denn er läßt einem die Füsse
Wenn das sich leicht ärgern heißt: so möchte ich doch wissen, wie schwer sie sich ärgerten? Das ist ja, zum Henker, das viertemal, daß ich heute hier bin, und ich habe ihn noch mit keinem Auge zu sehen gekriegt. Sagen sie mir doch, wo er steckt, und wo er herum läuft?
Frau Muhme, sie werden mich doch nicht für einen Narren haben? Wenn es nicht nöthig ist, warum lassen sie mich denn holen?
Wenn wir um 5 Uhr aufs höchste nicht oben gewesen sind: so ist der ganze Proceß zum Henker, er mag so schlecht und recht seyn, als er will.
Nun sehen sie! Da haben sie ja Zeit. Haben sie doch nur Geduld. Der arme Mensch ist heute gar zu geplagt. Um zwey Uhr hat er zum Minister kommen sollen. Er ist ihrer Sache wegen ausgegangen, und wenn er darüber den Minister versäumte: so grämte ich mich zu tode. Denn im Vertrauen: er wird wohl Secretär bey einem Collegio werden. Um drey kömmt die Frau Richardinn und ihre Tochter zu uns. Und da sähe ich gerne, wenn er ihrer Tochter gefiele.
Er ist nicht hin, Herr Strom. Mein Sohn ist ein guter ehrlicher Mensch: mit Willen thut er niemanden nichts.
Schlimm genug für mich! Wenn er niemanden nichts thut: so wird er meinem Kläger auch nichts thun. Der hat doch einen Advocaten, der ein Advocat ist! Herr Renner, das ist ein Mann, dergleichen sonst nicht ist. Der rennt seinen Clienten die Thüre bald ein, wie ich meinem Advocaten. Sagen sie aber nur, Frau Muhme, warum er nicht früh gegangen ist?
Ich glaube nicht anders, als daß er zehen Bücher ihrer Sache wegen nachgelesen haben muß. Er ist mein Tage so still nicht gewesen. Er ist nicht aus der Stube gegangen. Herr Vätter, ich glaube, daß er sich eingeschlossen hat. Ja, daß wir nicht eins ins andre reden: Herr Strom, seyn sie doch so gut, und erzählen sie
War es nicht so? Ihr Kläger hatte Zeuge von ihnen erhandelt, die mit der und der Gelegenheit von Görlitz kommen sollten, und das drey Kisten?
Ja, viere. Nun sehn sie, daß er es weis. Und war es nicht weiter so? Hernacher kommen fünf Kisten, und da will der Kläger die fünfte eben so wohlfeil haben, als die andern. Und sie wollen sie ihm nicht geben.
So mag der Henker ihrem Sohne was zu thun geben, und nicht ich? Lassen sie mich gehen; ich will einen andern Advocaten suchen.
Herr Vätter, allerliebster Herr Vätter! sie werden uns doch nicht den Schimpf anthun, und aus der Familie gehn.
Was? Familie! Familie! Wenn ich einen guten Advocaten habe! so frage ich den Henker darnach, ob er mein Vätter ist oder nicht.
Wenn er anfängt, und will nicht besser an fangen: so mag er,
Die vierte will er haben. Ich denke, es kommen ihrer viere: und die viere, die mit der Gelegenheit kommen werden, verhandle ich. Nun kommen nur ihrer dreye. Ich habe ihm die verkauft, die kommen werden, und nicht die, die nicht kommen wer den. Nun soll ich ihm die vierte schaffen, und die Zeuge sind gestiegen: so will ich nicht.
So? Nun weis ichs erst. Hören sie, Herr Strom: sie müssen mich nicht auslachen. Ich dächte, sie hätten ja den Proceß ersparen können. Sie hätten die drey Kisten in viere packen dürfen.
Da haben wirs. Nicht wahr, Frau Sylvesterinn? Ich bin ein rechter Narr, daß ich sie nicht zum Advocaten annehme: ich dürfte gewiß nicht aus der Familie gehen. Frau Muhme, mit einem Worte. Ich frage sie, ob ihr Sohn kommen wird, oder nicht?
Herr Strom, es ist mir gewiß mehr angst, als ihnen, daß er nicht kömmt. Daß Gott erbarme! der Mensch versäumt den Minister. Da wird er nicht Secretär. Ach! was werd ich noch anfangen?
Secretär hin, Secretär her! wenn er nur ehrliche Leute nicht auch versäumte, die sich auf ihn verlassen.
Herr Strom, er soll gewiß zu ihnen kommen, aufs wenigste vor vieren. Ich verspreche es ihnen, ich will ihn hintragen lassen. Er soll sich vor meinen Augen in die Sänfte setzen, damit ich gewiß weis, daß er hinkömmt.
Er mag aber ja nicht angestochen kommen, daß er die
Frau Muhme, ich habe ihren Sohn zum Advocaten genommen, weil sie mir nicht eher vom Halse gegangen sind. Nehmen sie sich in acht mit ihm. Denn, wenn er mich in Schaden bringt, hernacher hilft nichts: sie mögen schreyen, daß ich aus der Familie gehe, wie sie wollen. Und der erste Advocat, den ich hernach außer der Familie nehme, soll der seyn, der mir sie und ihren Sohn verklagen hilft. Gott behüte sie, Frau Muhme.
Mamachen, sehen sie doch. Ich bin schon ganz und gar fertig angezogen. Ich glaube, der Seiger gehet gar zu langsam.
Ach! laß mich gehen, Fiekchen. Wenn doch nur Fortunat wieder da wäre! Habe ich nicht seinetwegen ausgestanden? Hat der Strom nicht geschrieen und gestürmet! Ich bin in rechter Todesangst gewesen. Und nun ist er noch nicht da. Er hat nicht einen Augenblick mehr überley! Was fienge ich denn an, wenn der Mensch nicht zu rechter Zeit zum Minister käme? Er bleibt ja ewig außen!
Mamachen, man siehts wohl, daß ich und Fortunat nicht leibliche Geschwister sind. Fortunat, denke ich, nimmt immer gar zu viel vor. Ich habe den ganzen Tag immer mit einerley genug zu thun, und werde doch wohl nicht fertig. Wir mögen Besuch geben oder kriegen: so habe ich gewiß vom frühen Morgen an zu thun, und muß hernach doch wohl noch alles überhin machen, damit ich mich nicht vor den Leuten halb angezogen darf sehen lassen. Aber Mamachen, soll denn Fortunat auch da seyn, wenn Jungfer Lieschen herkömmt?
Ich dächte, Mama, das wäre unmöglich. Einer von beyden Personen, dächte ich, müßte er es wohl abschlagen lassen, dem Minister oder Lieschen. Wer von beyden ist denn wohl mehr? Doch
Je nun, Mamachen. Wenn ich närrisch bin: so müßte es Fortunat auch seyn. Der spricht immer: das Frauenzimmer wäre allezeit mehr, als die Mannspersonen; und der Minister ist ja eine Mannsperson.
Es wird schon angehen, daß er bey Lieschen auch noch zurechte kömmt; wenn er wieder vom Minister gekommen ist.
Aber Mamachen, ich weis nicht, warum Jungfer Lieschen niemals lange bleibt? Sie muß doch gerne was zu thun haben. Ich bleibe allezeit recht gerne bey fremden Leuten. Zu Hause hat man doch immer zu thun und zu laufen. Aber wenn man zum Besuche ist, so kann man doch fein ein Weilchen stille sitzen, und die Hände in den Schooß legen.
Ach! der böse Fortunat! der kömmt nun noch nicht! Da warte ich auf ihn, und kann mir nicht helfen. Wenn ich gleich nach ihm schickte: wo will ich ihn suchen? Ach! ich weis auch nicht, was mir gefehlet hat, daß ich ihn nicht gefraget habe, wo er hingienge: so könnte ich ihn doch holen lassen. Gebe doch nur der Himmel, daß der Minister unterdessen zu thun hat, und niemanden vor sich lassen kann, bis mein Fortunat wieder da ist, und hingehet. Fiekchen, laß den Caffee brennen: der Besuch möchte bald kommen.
Frau Sylvesterinn, ihr Herr Sohn ist in unserm Laden gewesen. Er läßt sich ihnen schön empfehlen, und sie sollten doch so gut seyn, und sollten ihm die silbernen Schuhschnallen kaufen. Er wollte sie einmachen, wenn er zum Minister gienge.
Es könnte doch wohl seyn. Er redte eine gute Weile mit meinem Herrn. Ob er ihn nun um Rath gefragt hat, das weis ich nicht. Er besah silberne Degengefäße.
Daß doch ja dem Menschen nicht einfällt, daß er auch noch einen silbernen Degen fertig haben will, ehe er zum Minister geht!
Laßt nur die Schnallen da. Ich will mit eurem Herrn schon selbst handeln. Ich muß erst mit meinem Sohne reden. Wenn er noch im Laden ist: so sprecht, er soll geschwinde zurückkommen.
Er wird ja nun kommen! Weil er schon lange im Laden gewesen ist: so wird er nicht mehr lange da seyn.
Das ist eben, als wenn ich zu dir spräche: wenn du schon lange getrödelt hättest; so würdest du nicht mehr lange trödlen.
Was lasse ich nun sagen? Lasse ich nun sagen: er ist noch nicht zu ihm; so kriegen er und ich harte Worte. Und lasse ich sagen: er ist fort; so muß ich um des verzweifelten Menschen willen meinem Manne vorlügen.
Ich dächte, Mama, sie ließen sagen, er wäre fort. Denn er ist ja auch gewiß fort. Das ist es eben, was ihnen so viel Sorge macht.
Das ist wahr. Der Herr bringt mit seinem Laufen meine Beine immer auch in den Lauf. Wohin soll ich denn laufen?
So werde ich lange laufen, und der Minister wird lange warten müssen. Denn ich denke, er könnte überall seyn.
Und wo ihr ihn antrefft: so sprecht, er soll den Augenblick zum Minister gehen, ohne erst wieder hieher zu kommen. Ich lasse es ihm befehlen; und eher geht nicht von ihm, bis er fort ist.
Ich denke wohl, der Minister wird ja nicht so gleich Zeit haben, ihn vor sich zu lassen: denn die Herren haben viel zu thun: und unser eins hat wenig zu thun, und doch immer nicht Zeit.
Eben deswegen wird er ihn gleich vor sich lassen, weil er mehr zu thun hat. Nun, Friedrich, lauft! Du stehst noch immer, Fiekchen? Du hast sollen den Caffee brennen lassen.
Meine Frau. Hier stand jemand oben an der Ecke mit noch jemanden, der sagte, ich sollte zu ihnen gehen. Sie sollten einen hübschen Fächer auslesen. Sie würden schon wissen, für wen.
Ich brauche keinen Fächer. Sagt ihr nur dem Jemand, der euch hergeschickt hat, ich hätte Fächer genug.
Mamachen, ich denke es wird wohl für mich seyn, daß sie einen auslesen sollen. Fortunat hat mir immer versprochen, daß er mir was schenken will; weil er mir nichts mitgebracht hat, da er nach Hause kam. Behalte sie doch immer einen Fächer.
Ihr Herr Sohn läßt sich ihnen schönstens empfehlen, und ob sie nicht so gütig seyn, und ihm seine Stiefeln schicken wollten? Er wollte ein Pferd versuchen, das mein Herr kaufen will.
Wenn er die Stiefeln an und wieder ausziehen soll: so kömmt er ja wohl in vielen Stunden nicht wieder. Denn das Ding braucht Zeit.
Sagt, ich ließe ihn grüßen, und er sollte lieber zu den Stiefeln kommen, als daß er die Stiefeln zu sich kommen ließe. Ach! Fiekchen. Den Caffee laß machen. Laß dir es doch nicht so oft sagen!
Wenn heute jemand kömmt, und mir von Jemanden redet: so darf ich nur denken, daß es von Fortunaten ist. Ist er denn noch im Laden?
Ach! rede mir itzund nicht von den Farben vor. Die verwünschten Schuhschnallen! Der verdammte Fächer! Die verfluchten Stiefeln und das Pferd dazu! Die vermaledeyten Farben! Muß er denn zehnerley vornehmen? Ach! warum habe ich denn den Menschen ausgehen lassen? Daheim hätte ich ihn behalten sollen! Das Haus hätte ich ihm zuschließen sollen! Den Hut, den Degen, die Kleider vom Leibe hätte ich ihm verstecken sollen. Bis um zwey Uhr hätte ich ihn hüten sollen, daß er nicht von der Stelle gekonnt hätte. Ach! nun werde ich ihn nimmermehr versorgen können. Die Stunde, zwey Uhr, zwey Uhr! das war meine ganze Hoffnung. Itzund könnte ich Glückwünsche annehmen, wenn er da gewesen wäre.
Frau Sylvesterinn. Ich habe meinen Herrn auf der Gasse gehen sehen: ich konnte ihn aber nicht einholen. Er ist ganz gewiß zum Minister gegangen. Er gieng um die Ecke herum, und ich wüßte nicht, wo er sonst hingekommen wäre, als zum Minister. Denn er war gleich weg aus meinen Augen.
Ist er zum Minister? Friedrich, kann ich mich drauf verlassen? Und ihr habt ihm nichts gesagt? Und er ist selber so klug gewesen? Fiekchen, glaube nur, dein Bruder wird noch der ordentlichste Mensch von der Welt werden. Je! das ist ja vortrefflich. So ist er gleich hingegangen? Was hat er aber mit den Schnallen gewollt? Ich dürfte sie nun bald wieder zum Goldschmiede schicken. Nein! nein! ich will sie ihm schenken, weil er doch gleich zum Minister gegangen ist. Ach! nun fange ich wieder an zu leben. Der Minister wird ein paar Viertelstunden nicht so genau nehmen. Es ist noch lange nicht drey Uhr. Aber, Friedrich, räumt geschwinde meines Sohnes seine Sachen aus der Stube.
Behüte Gott! Frau Sylvesterinn, ich würde ihrer Magd nicht den Schimpf anthun, und ihr ins Amt greifen. Was würde sie dazu sagen? Ich will sie gleich holen.
Wenn ich nun an Cathrinen ihrer Stelle waschen und platten wollte: so würden sie es nicht zugeben. Das Aufräumen gehöret eben so wenig unter die Pflichten eines männlichen Bedienten, als das Waschen und Platten. Cathrine soll gleich da seyn, Frau Sylvesterinn.
Ja! ich habe aber was vergessen. Sie sehen, daß ich den Kopf vorn gepudert habe und hinten nicht. Ich habe aber sehen wollen, wie es steht, wenn ich ihn hinten puderte, und vorne nicht.
Wer wird mich denn auslachen? Wenn man mich nicht auslachet, wenn ich vorne gepudert, und hinten ungepudert bin: so kann man auch nicht lachen, wenn ich hinten gepudert, und vorne ungepudert bin. Denn es sind einmal so gut zweyerley Haare, als das anderemal.
Wer wird nun so denken? Weil ein Mannskleid vorne Taschen hat und hinten keine: so kann es auch hinten welche haben, und vorne keine!
Frau Sylvesterinn, ist es denn wahr, daß es auch mit zu meinem Amte gehöret, Herr Fortunaten nachzuräumen?
Aber wahrhaftig, Frau Sylvesterinn, da ich zu ihnen gezogen bin: haben sie mich nicht mit angewiesen, ihres Sohnes seine Aufräumerinn zu seyn. Ich habe es vorhin thun wollen, und thäte es auch wohl noch; wenn nur Friedrich nicht spräche, es gehörte zu meinem Amte.
Das verschlägt mir! Wenn es nicht zu meinem Amte gehört: so muß Herr Fortunat sprechen: Cathrine, ich bedanke mich, daß ihr mir lüderlichen und unordentlichen Menschen nachgeräumet habt. Und hernach kömmt es auf mich an, ob ich sprechen will: zu dienen; es ist meine Schuldigkeit gewesen. Friedrich, komm her, du mußt mir helfen. Du mußt wenigstens die halbe Unordnung deines Herrn tragen.
So mache bald, Fiekchen, und komm, wenn du dich noch anders zurechte machen willst. Ich will unterdessen den Caffee selber besorgen. Räumt ihr alles weg, nur die Laute laßt hier, damit man sie vorsetzt.
Cathrine, wenn ich dir einmal in deinem Amte helfen soll: so muß ich dir überall helfen, wo mirs gelegen ist, und so muß ich dir auch mit kochen helfen.
Nicht doch! das wäre artig getheilt. Nein! so wollen wir nicht wetten, sondern so: du sollst das Essen machen, und ich will es kosten.
Es ist noch die Frage, ob du mir hilfst, oder ich dir? Denn es ist deines Herrn seine Unordnung, und nicht meines Herrn seine.
Ey! es wird was kluges seyn. Pfuy. Es ist ja alles schwarz und weiß, als wenn es halbe Trauer wäre. Nein! wenn ich malen
Wenn er einmal malen wollte: so dächte ich auch, er könnte was klügers malen. Wenn er noch etwa mich malte.
Es ist auch wahr. Es würde viel klüger seyn, wenn er eine Meerkatze malte, als wenn er einen Fuchs malte.
Es ist gut, wenn du die Stiefel nehmen willst: so nimm die Spornen auch dazu. Ich will das Malerzeug nehmen.
Nun! wenn ichs bin; so ist es gut. Behüte Gott, wo wollte ich es wissen? Bey dem Goldschmiede habe ich nichts davon gehört. Mama, haben sie die Schnallen?
Worüber haben sie sich den geängstiget? Ich gieng bey dem Goldschmiede vorbey: so fiel mirs ein, und auf den Augenblick könnt ich ja leichtlich zu ihm gehen. Bey dem Herrn, dessen seinen Lackey ich herschickte, habe ich auch nichts gehört, ob ich Secretär bin. Aber warum schickten sie mir die Stiefel nicht?
Bist du der Jemand gewesen, der mir den Mann über den Hals geschicket hat? Warum hast du es nicht besser ausrichten lassen? Ich wußte viel, für wen er seyn sollte.
Es ist gut, Mama. Ich habe mich unterweges anders besonnen. Ich will selber einen malen. Es läßt verbindlicher, wenn er von meiner eignen Hand gemalet ist. In dem Laden habe ich auch nichts gehöret, wo ich die Farben kaufte. Sie haben doch die Farben?
Der Henker hole mich, Mama! Das habe ich vergessen. Auf dem Rückwege dachte ich wohl dran, da ich bald zu Hause war. Aber da war mir es zu verdrießlich, noch zu jemanden zu gehen, und ich war müde. Ich habe aber selber nachgedacht. Und ich will dem Kläger schon Ausflüchte genug machen. Exceptionem fori, exceptionem non praestitae cautionis, exceptionem inepte formati libelli, exceptionem illegitimationis, inhabilitatis, non competentis actionis: ein ganz Register voll exceptiones dilatorias will ich ihm entgegen setzen.
Das ist auch nur ein Bißchen zum Behelfe. Wir Advocaten nehmen alles mit, wenn es gleich nicht viel hilft.
Aber das ist noch nicht die Hauptsache, Mama. Verlassen sie sich auf mich. Der Proceß ist gewonnen. Ich sage es ihnen, daß er gewonnen ist. Es ist mir eingefallen: ich habe auch exceptionem plus petitionis.
Mama, sie wollen auch gar zu viel wissen. Sie hätten mich nicht examiniren dürfen: ich wüßte nicht, wie ich bestanden wäre.
Je nun! lieber Fortunat. Ich habe meine Freude dran, wenn ich sehe, daß du was weist, das ich nicht weis.
Ich will es ihnen sagen, Mama, was es deutsch heißt. Es Exceptio plus petitionis heißt ungefähr, die Ausflucht des Mehrbittens.
Nun, Mama. Ich will mein äußerstes thun; ich will es ihnen erklären. Strom wendet gegen seinen Kläger ein, daß der Kläger mehr von ihm haben will, als er ihm versprochen hat, und zu geben schuldig ist.
Höre, Fortunat. Wenn du dich nur darauf besonnen hättest: so hättest du nicht weglaufen, und deiner Mutter so viel Angst machen dürfen.
Ja, freylich. Wenn ich mich darauf besonnen hätte. Aber man kann sich ja nicht eher worauf besinnen, als bis es einem einfällt.
Nun, es ist wohl wahr, du lieber Fortunat Aber höre, du hast die Sache auch nicht recht gewußt Strom sagte, es wäre falsch.
Je nun! es war mir nicht recht eingefallen. Du sprichst ja: man könnte nicht gleich an was denken, wenn man wollte. Ich will dir sagen, wie es war. Es waren vier Kisten, die der Kläger gehandelt hatte. Hernach sind ihrer nur drey gekommen. Und der Kläger will sie alle viere haben.
Ja so! So ist der Proceß noch nicht gewonnen, Mama. Ach! hätten sie sich doch vorhin besonnen. So hätte ich mich auch nun besonnen, was ich machen sollte.
Nun! hören sie nur! Wenn der Kläger vier Kisten haben will, und Strom will ihm nur drey geben: so denkt ja Strom auch, jener will mehr haben, als er ihm geben darf. Weil ich nun Stroms sein Advocat bin: so muß ich denken wie Strom, also behalte ich meine Ausflucht des Mehrbittens; es mag werden, wie es will.
Höre, mein Sohn, wenn Strom und du das denken: so dächte ich, ihr dächtet alle beyde nicht recht. Denn, wenn der Kläger vier Kisten gehandelt hat, und fordert auch die; so fordert er ja, was ihm Strom versprochen hat, und was er ihm schuldig ist: und also fordert er nicht mehr.
Das läßt sich hören, Mama: das sage ich ihnen. Ich habe einmal ein Bißchen davon gehört, daß die Frauenspersonen deswegen keinen Schaden litten, wenn sie gleich von Rechtssachen nichts wüßten. Aber ich schwöre es ihnen; wenn ich einmal Gesetze geben sollte: so sollten ihnen zu Ehren die Frauenspersonen doppelt gestraft werden, wenn sie was von dergleichen Sachen nicht wüßten.
Ja, Fortunat. Du hast mir ja noch nichts vom Minister gesagt. Wie war er denn? Was sagte er denn? Wie that er denn gegen dich?
Sie fragen auch noch immer, was der Minister vor vier Wochen gesagt hat? Ich habe es ihnen doch alle Tage erzählen müssen.
Ach! der lüderliche Mensch ist noch nicht bey dem Minister gewesen. Ach! nun wirst du nicht Secretär! Nun kriegest du Jungfer Lieschen nicht! Nun muß ich dich dein Lebtage ernähren! Fiekchen, Fiekchen, ungrisch Wasser! Ach! du nachläßiges, sorgenloses, leichtfertiges Kind! Geschwinde geh zum Minister! Geh, geh! es ist schon versäumt!
Nun! wenn sie es so haben wollen: so mag ich aussehen wie ich will. Ich will gehen; ich gehe ja schon.
Mamachen, sie wollten ja ungrisch Wasser haben. Hier ist welches. Ich habe mich ganz aus dem Othem gelaufen.
Du magst sehr gelaufen seyn: ich hätte unterdessen sechsmal in Ohnmacht fallen, und sechsmal mich wieder erholen können.
Ich dachte, ich sollte auf der Stelle umfallen. Der böse Fortunat ist noch nicht beym Minister gewesen.
Da sehen sies, Mama. Ich nehme nicht so vielerley vor, als jener, und sie sprechen immer, ich trödelte gar. Aber ich weis gewiß, ich wäre lange hin, wenn ich hingehen sollte. Fortunat malt immer, Mama. Seyn sie doch so gut, und bitten sie einmal für mich, er soll mir die Fabel vom Adler und der Schnecke malen.
Ich habe sie einmal gelernt. Sehn sie nur, Mamachen. Es hat ein Adler mit einer Schnecke gewettet, wer am ersten an den und den Ort kommen würde. Der Adler denkt, ich komme schon noch zu rechte, und fliegt indessen weit weit weg. Die Schnecke schleicht gerade zu; so gut sie kann, und kömmt doch eher.
Fiekchen, Fiekchen, ich sehe schon was du willst. Laß du mir Fortunaten gehen. Ich möchte doch wissen, wenn du eher, als Fortunat, kämst.
Nun, Mamachen, es fiel mir nur so ein. Fürs Eherkommen wäre mir nun wohl nicht leid. Sie haben mich noch wohl oft genug eine Schnecke geheißen, Mama. Aber Fortunat, dächte ich doch, wäre noch lange kein Adler.
Mädchen, komm du mir nicht etwan mit solchen Reden angezogen, wenn die Richardinn und ihre Tochter da ist. Ich
Nun! wenns nicht anders ist. Den Willen habe ich wohl: aber, wenn ich nur wüßte, was ich loben sollte. Das müssen sie mir sagen.
Du wirst wohl allein nicht wissen, was an Fortunaten zu loben ist! Siehst du nicht? Er ist beständig hübsch reinlich, hübsch gekleidet, hübsch gezogen.
Mama, wenn sie mich todt quälten: so kann ich es nicht sagen; und kann auch nicht sagen, warum ich es nicht sagen kann.
Ach! ich werde es schon errathen haben. Dir werden es aber die Leute am ersten glauben, wenn du ihn deswegen lobst. Denn du hast keinen Vortheil dabey, solche Leute sehr zu loben. Nun! so sprich, daß er schön tanzet, schön zeichnet, schön die Laute spielt, schön zu Pferde sitzt, schön französisch spricht, schöne Verse macht.
Aber der Papa spricht immer, das sollte er alles nicht können. Wenn ich ihn loben will, so dächte ich, ich müßte ihn dessentwegen loben, was er können sollte.
Nicht doch. Dessentwegen lobt man die Leute nicht, weil sie was können, das sie können sollen; denn das ist ihre Schuldigkeit: sondern, wenn sie was können, das sie nicht können sollen.
Wenn du nur thätest, was du thun solltest. Du denkst gerne nicht dran, etwas zu thun, das du nicht sollst! Weswegen lobt denn unsre Nachbarinn den jungen Candidaten, der immer ins Haus kömmt.
Ja, ja, sie haben recht, Mamachen. Es ist mir desto lieber. Ich verstehe es zwar nicht. Aber wenn ich an ihm loben wollte, was er können sollte: so müßte ich doch wohl ein Bißchen lügen.
Bey dem Vergnügen, das ich habe, sie bey mir zu sehen, bedaure ich nur meinen Sohn. Er hat um zwey Uhr einem Minister aufwarten sollen, und ist noch itzo nicht wieder zurück.
Um zwey Uhr? So dächte ich, er hätte etwas zu spät kommen müssen. Sie wissen ja, Mama, daß ich ihn um zwey Uhr und zwey Minuten auf der Gasse habe gehen sehen.
Wenn der Herr Sohn so ein nöthiges Geschaffte hat: so würde er sehr unrecht gethan haben, wenn er es unsertwegen versäumt hätte.
Ich zweifle, ob er es Jungfer Lieschen zu gefallen nicht würde gethan haben: wenn ich mir nicht schmäuchelte, sie zu kennen, und ihm gesagt hätte, daß sie es ihm zu gute halten würden.
Ich muß meiner Tochter nachsagen, daß ihr die Ordnung fast lieber ist; als sie sich selber ist: ob das gleich viel gesagt ist.
Ich würde nicht zu trösten seyn, wenn jemand meinetwegen was versäumet hätte. Aus einer kleinen Versäumniß folgt immer noch eine größere: und man kann auf diese Art vielerley Unordnung in der Welt stiften.
Ich glaube auch in der That, liebes Jungfer Lieschen, da sie die Ordnung so lieb haben: sie würden denenjenigen Leuten wieder aus der Unordnung helfen, die durch sie in Unordnung gekommen wären.
Es scheinet ganz billig zu seyn: aber ich habe ein gutes Gewissen. Ich weis, daß ich nichts gestiftet habe.
Wenn sie bey jemanden in meinem Hause Unordnung gestiftet hätten; so weis ich gewiß, sie hülfen der Unordnung wieder ab. Und ich wollte ihnen dafür stehen, daß sie in keine andre Unordnung darüber kommen sollten; es wäre denn, daß sie ein wenig roth würden.
Die Unordnung, daß ich roth würde, würden sie gewiß bey mir schon verursacht haben: wenn ich nicht überzeugt wäre, daß ich keine Unordnung in ihrem Hause gestiftet haben könnte.
Ach! mein liebes Jungfer Fiekchen. Nehmen sie mir es nicht ungütig: sie haben ihr Halstuch ein kleines, kleines Bißchen schief gestecket.
Sehen sie, liebstes Jungfer Lieschen. Wenn sie einer Unordnung bey den Meinigen abhelfen, die sie nicht gestiftet haben: wie vielmehr werden sie nicht einer abhelfen, die sie gestiftet haben.
Habe ich Unordnung gestiftet? Ach! vergeben sie. Wollen sie so gütig seyn, und mir es sagen? Ach! verzeihen sie. Gewiß nun sehe ichs: ich habe einen Fleck ins Caffeetuch gemacht Oder Mama, sie sind es gewesen?
Nein! nein! eine solche Unordnung meyne ich ganz und gar nicht. Das ist eine Unordnung, die in wenig Augenblicken verschwinden wird.
Vergeben sie. Wenn bey mir ein solcher Fleck gemachet wird: so wasche ich sie alle mit Mandelseife wieder aus; und jeglicher Fleck kostet mich zwanzig Minuten.
Mein Bruder zählt die Zeit gewiß auch sehr genau. Er zählt sie zwar nicht nach Minuten: er hat mir aber gesagt, daß er im Tanzen nach Sechzentheilen rechnete, in welcher Stellung die Füsse stehen sollten.
Und gewiß! Er ist im Tanzen niemals aus der Cadanz gekommen. Denn wenn eine Unordnung vorgegangen ist: so hat er allezeit gesagt, daß die Musikanten Ursache daran gewesen wären.
Mein Sohn martert mich fast zu tode, daß er zween große Spiegel haben will, damit er sich hinten und forne besehen kann, und damit er recht davor tanzen kann.
Meine Tochter weis sehr schönes Essen zu machen. Und sie rührte nichts mit den Fingern an, und wenn es verderben sollte; alles mit der Gabel!
Und die Mama sorgt für alle meines Bruders Sachen: so gar die Bücher hebt sie ihm auf. Und für meine Sachen sorgt sie noch dazu!
Ich habe geglaubt, daß ich ordentlich bin. Aber die Frau Sylvesterinn sind noch ordentlicher. Denn ich lasse jemanden anders für meine Sachen sorgen, und sie sorgen selber für andrer ihre.
Mama, ich weis, daß ich in meinem Leben so roth nicht gesehen habe, als itzo. Daß Gott! loben sie mich doch nicht so. Was wird denn die Frau Sylvesterinn denken, wenn sie hört, daß mich meine eigene Mama so heraus streicht?
Die Frau Sylvesterinn kann, ihres Herrn Sohnes wegen, den Zeugnissen nicht zuwider seyn, die man von seinen Kindern ableget.
Es ist mir nicht erlaubt, daß mir die Mannspersonen gefallen. Aber wenn in seinem Kopfe so viel Ordnung ist, als an seinem Kopfe: so wird man sich schwerlich enthalten können, ihn zu loben.
Von seinem Kopfe will ich nicht reden. Was aber sein
Bleiben sie doch sitzen, Frau Richardinn, Jungfer Lieschen. Wozu dient denn das Aufstehen, als daß man sich hernach einmal zu viel wieder niedersetzet? Gott grüße sie allerseits. Lieber Schatz, ist denn der Sohn nicht da?
Seit welcher Zeit er bey ihm ist, weis ich nicht. Denn ich weis nicht, wie lange er hat warten müssen.
Was zupfest du mich denn, mein Schatz? Sind mir etwan Haare von Pelzen am Kleide hängen geblieben? Ich habe gleich Pelze verkauft.
Zupfst du mich denn immer noch? Ich denke, ich bin recht gut daran, daß ich nicht mehr, als einerley vorhabe. Aber es hat doch seine Ungelegenheit. Wie muß es nicht seyn, wenn man vielerley vorhat? Bin ich denn immer noch voller Haare?
Aber ist er auch gewiß um zwey Uhr hingegangen? Du zupfest auch gar zu sehr. Die verzweifelten Haare!
Was meynst du, Fiekchen? Die sind die besten. Die Mode ist ganz hübsch, die Pelze haussen zu tragen, wie sie es itzo machen. Ich wollte nur, daß man anfienge, die alte und neue Mode zusammen zu schmelzen, und inwendig und auswendig Pelz trüge. Das würde warm seyn, und da wäre auch was zu lösen. Nun! was machen sie denn Gutes, Frau Richardinn und Jungfer Lieschen? Wollen sie denn keinen Caffee mehr trinken? Schenke doch ein, Schatz. Oder, ich will nur selber einschenken.
Behüte Gott! nein. Wenn sie schwören wollen, so will ich sie gerne verschonen. Fiekchen, trink du. Du schwörst nicht, daß du nicht trinken willst.
Jungfer Lieschen, ich will ihnen doch was sagen. Sie werden doch auch einmal einen Mann nehmen wollen? Ich habe allezeit recht viel auf sie gehalten. Sie sind ein feines, hübsches, ordentliches Mädchen. Ich wollte ihnen gern einen Mann zuführen. Freylich, so ordentlich ist er nicht, wie sie. Er ist auch wohl, wie ich es heiße, ein Bißchen unordentlich. Je, mein Schatz, habe ich denn schon wieder Haare am Kleide? Aber man kriegt doch auch die Männer nicht allezeit gemalt.
Du sollst itzo nicht reden. Ja, Jungfer Lieschen, so dächte ich nun, sie nähmen meinen Stiefsohn. Wollen sie ihn haben? Sagen sie mir es aufrichtig. Schwören sie aber nicht etwan, wie sie vorhin beym Caffee thun wollen. Antworten sie doch. Sagen sie ja, oder nein!
Wenn ich die Hasenfelle für Fuchspelze verkaufte: so
Jungfer Lieschen hat meinen Sohn ja schon mehr als einmal gesehen. Er geht ja beständig knapp gekleidet. Es ist ein ordentlicher Mensch: ein recht sehr ordentlicher Mensch ist er!
Höre, mein Schatz, ich will dir was sagen; es mag dir so wunderlich klingen als es will. Wenn er nicht so ordentlich wäre, wäre er vielleicht nicht so unordentlich. Verstehst du das?
Höre nur an. Wenn ich von einem Menschen rede: so rede ich ja nicht von seinen Kleidern. Wenn du mich nicht hättest, und hättest nur meine Kleider: so hättest du keinen Mann, der Sylvester hieße. Ist es nicht wahr, Jungfer Lieschen? Ordentliche Kleider sind kein ordentlicher Mann.
Ihr Diener! Nehmen sie es nicht übel. Wo ist denn der Herr Sohn? Wo ist er denn? Geschwind! Ich bitte sehr. Geschwind!
Wie habe ich denn die Ehre, sie bey mir zu sehen? Herr Renner, seyn sie doch so gütig, bey mir zu verziehen.
Das Glück kömmt einem ja zuweilen recht unverhofft. Herr Renner, nimmermehr hätte ich gedacht, daß wir hier mit ihnen zusammen kommen sollten.
Herr Renner, es ist mir doch lieb, daß ich sie sehe: aber mein Stiefsohn ist nicht zu Hause. Lassen sie sich unterdessen den Weg nicht reuen.
Nicht doch! kommen sie, setzen sie sich zu uns. Wir sind so eine hübsche Gesellschaft zusammen: es wird dem Frauenzimmer so die Zeit zu lang, wenn niemand bey ihnen ist, als ein Mann,
Ich habe nicht Zeit mit ihnen zu reden. Ich muß eilen; recht sehr muß ich eilen! Ich komme den Augenblick vom Minister. Ich empfehle mich ihnen.
Herr Renner, ich lasse sie gewiß nicht fort. Sagen sie mir wenigstens, woher sie wissen, daß mein Sohn nicht bey dem Minister ist.
Da ich dem Minister dankte, habe ich ihn weder im Zimmer noch im Vorzimmer gesehen. Ich empfehle mich ihnen.
Nur einen Augenblick verziehen sie, Herr Renner. Sie sollen mich und meine Tochter auf einen Spazierweg begleiten.
Tausendmal für einmal, wenn ich Müsse habe; aber itzo nicht: und wenn mir ihre Jungfer Tochter sagte, daß sie mich lieb hätte.
Ums Himmels willen. Sagen sie mir erst, was sie bey meinem Sohne gewollt haben? Ich will es ihm sagen, wenn er wiederkömmt.
Ich habe nicht Zeit es zu sagen: Nun geht es doch nicht an. Lassen sie mich doch von ihnen! Sie wollen mein Unglück: sie wollen, daß ich alles in der Welt versäume! Ihr Diener.
Es würde mir eine Schande seyn, wenn ich bey meinem Besuche zu spät käme, und ihm, wenn er einen Termin versäumte.
Er hat mit meinem Sohne einen Termin. Compromittiren wollte er. Ich habe einmal einen Proceß gehabt, da mein Advocat auch sagte, es wäre am besten, wenn wir compromittirten: und da erschienen die Parteyen auf dem Termine alle beyde nicht Das wird es wohl seyn.
Und nun ist der nachläßige Mensch nicht da, und bey dem Minister ist er auch nicht. Jungfer Lieschen, ich bin recht böse auf ihn. Er hätte sich ihren Besuch besser zu Nutze machen sollen.
Laß doch nur meinen Sohn zufrieden. Renner kann zehnmal zum Minister hin und wieder laufen, ehe er einmal über die Gasse geht. Die gezogenen Leute gehen so. Die Schulpferde gehen auch langsam durch die Stadt.
Ach! was habe ich mit einem Schulpferde zu thun? Ein Advocat ist kein Schulpferd. Sieh doch Herrn Renner an. Der malt nicht, wenn er aufs Rathhaus gehen soll; der putzt sich nicht drey Stunden. Der geht nicht an zehn Orte, und vergißt den, wo er hingehen soll; der würde nicht herumlaufen, wenn er wüßte, daß er die Ehre haben sollte, Jungfer Lieschen zu sprechen.
Sie werden doch wohl gar gehen wollen, Jungfer Lieschen? Nein! nein! sie müssen da bleiben. Mein Sohn muß noch mit ihnen sprechen.
Ich habe einigen von meinen guten Freundinnen gesagt, daß sie mich antreffen würden: und sie werden mich ja nicht zur Lügnerinn machen wollen?
Je! ja doch, Jungfer Lieschen. Ich nehme nicht gerne eine Lügen auf mich: aber die will ich auf mein Gewissen nehmen.
Ich dürfte mich doch vor Scham nicht mehr sehen lassen, wenn ich mir in meinem Leben vorwerfen könnte: daß ich nur eine Minute später wohin gekommen wäre, als ich mir vorgesetzet hätte.
Ach! er wird sich nicht zufrieden geben, wenn sie weg sind. Er hat ihnen tausend schöne Dinge sagen wollen: warten sie doch!
So muß ich es geschehen lassen. Wenn ich nur wüßte, wie ich meinen Sohn hernach zufrieden spräche. Komm mit, Fiekchen: wir müssen unsern Besuch begleiten.
Nun gieb mir den Augenblick alle deines Sohns seine Zeitverderber her. Seine Laute will ich mit den Füssen zertreten; seine Bilder will ich zerreißen; seine Farben will ich ins Wasser werfen; seine Pinsel will ich in den Koth schmeißen; seine Stiefel will ich ins Feuer werfen, und seine Verse, die verwünschten Verse, will ich zum Krämer schicken.
O! die Verse kriegt der Krämer noch nicht; die müssen erst gedruckt werden: und ums andre kannst du dich unbekümmert lassen.
Mit einem Worte, es muß alles fort! Ich leide das Zeug nicht eine Stunde mehr bey ihm! Ich wollte, daß ich ihm die Beine dazu könnte lahmen lassen, damit er nicht mehr tanzen und nicht mehr herum laufen könnte.
Wie? du willst mich und meinen Sohn in so viel Thaler Schaden bringen? Du willst mein Kind zum Krüppel machen. – Ach! ich möchte Blut weinen! Was das für ein boshafter Mann ist! Warum denn? Was hat er denn gethan? Du fährst ihm ja mit! wenn er gleich gestohlen hätte, du könntest es nicht ärger machen.
Was soll das nun heißen – sich selber bestiehlt er? Darum ist mein Tage noch niemand gehangen worden, weil er sich selber bestohlen hat.
Du fragst noch warum? Nun ist ja alles gestört, was wir vorhatten. Nun hat ers! Darum will ich ihm das alles nehmen, weil er nicht nach Hause kömmt!
Willst du mich nicht etwan auch mit den Füssen zertreten, oder zerreißen? oder ins Wasser werfen? oder in den Koth schmeißen? oder ins Feuer legen? oder zum Krämer schicken?
Wie? die Laute? Ums Himmels willen. Nur die nicht! Ich höre sie so gerne. Sage nur, ob du nicht gescheid bist? Die Laute, die wird wohl machen, daß er nicht nach Hause kömmt?
So sage mir doch nur, wie die es machen können? Lieber Mann, daran will ich sehen, ob du noch gescheid bist.
Du willst sehen, ob ich gescheid bin? Du bist wohl die rechte Seherinn, ob die Leute gescheid sind? So würdest du ja sehen, daß dein Sohn nicht gescheid wäre. Ich will dirs aber sagen, wie der Plunder machen kann, daß er nicht nach Hause kömmt. Ist es nicht wahr? Sein Malen, sein Tanzen, und alle das Zeug (man möchte ein besonders Register drüber haben, daß mans merken könnte) das Zeug alles macht, daß er immer was anders vorhat, als er sollte.
Nimmermehr sollst du sie kriegen! und eher du die Laute mit Füssen trittst; eher sollst du mir alle Gedärme aus dem Leibe treten, bis ich so hohl bin, wie die Laute.
Zu seinem besten sollte es seyn, wenn du ihm hundert Thaler Schaden thust? Wenn ich dir nun für hundert Thaler Pelze nähme: wäre das zu deinem besten? Und zu meinem besten würde es vollends seyn! Ich müßte ihm andre Sachen kaufen. Und das wäre mein bestes!
Freylich ist es sein bestes. Die Sachen haben ihn zum Narren gemacht, und zum Bettler und zum Landläufer werden sie ihn noch machen.
Was? zum Narren? zum Landläufer und zum Bettler? Ich habe dir es ja hundertmal gesagt. Er ist natürlich, wie sein Vater: der leibhaftige Vater ist er! Und du sprichst, er wäre ein Narr, und werde zum Landläufer und zum Bettler werden? So wäre mein seliger Mann ein Narr gewesen? So wäre er itzund ein Bettler und Landläufer, wenn er nicht gestorben wäre?
Ja, der natürliche Vater! der leibhaftige Vater! Wenn dein Sohn zween oder drey Fehler hat, die der Vater auch hat: hernach ist er der natürliche, der leibhaftige Vater. Und wenn es nur heißt: er ist der natürliche, der leibhaftige Vater: hernach ist er ein braver Mann.
Was? wäre mein seliger Mann kein braver Mann gewesen? Ach! der liebe Mann! wenn er das in der Erde wüßte. Er käme doch wieder, und kratzte dir die Augen aus! Wenn ich nur wüßte, wer heute etwan stürbe; ich schwöre dirs zu, ich ließe es ihm sagen. Noch heute Abends sollte er wiederkommen.
Des Tages wollt ihr Weiber immer todte Männer haben. Denn sie keifen fein nicht. Aber wenn er des Nachts käme: so würdest du wohl zusammen kriechen, und Gott danken, wenn du ihn wieder vom Halse los wärst.
Ja! ich wollte nur, daß ich ihn den Nachmittag wieder gehabt hätte. Jungfer Lieschen hätte gewiß als Braut, und anders nicht aus meinem Hause gehen sollen. Wenn du wissen willst,
Sprich nur mehr, was man mit Füssen treten, was man zerreißen, was man ins Wasser werfen, was man in den Koth schmeißen, was man zum Krämer schicken soll.
Mich gewiß? Nicht wahr? Nun will ich auch sehen, ob du gescheid bist? Sage mir geschwind, wie es seyn kann, daß ich es gemacht habe?
Nein! nein! lieber Schatz. Aber so lieb als ich dich habe, die Zunge hätte ich doch wohl gewünscht, daß ich sie dir auf eine Viertelstunde ein Bißchen lahmen könnte. Die verzweifelte Zunge! Hätte ich doch nicht gedacht, daß sie meinen armen Sohn so herunter machen könnte, wie du gegen Lieschen gethan hast.
Ach! freylich, du Angstmann! wenn mein Sohn unordentlich wäre: solltest du es denn sagen? Ist mein Sohn unordentlich? Höre!
Was sprech ich nun? Spreche ich ja: so wirst du böse, Schatz. Und ich habe mich schon aus dem Athem gezankt. Er ist ordentlich; und ist auch nicht ordentlich.
Sieh nur an! mein Schatz. Darüber können wir uns wohl vergleichen. Du heißest die Leute ordentlich, wenn sie ordentliche Kleider haben; und galant, wenn sie galante Kleider haben; und reich, wenn sie reiche Kleider haben; und schön, wenn sie schöne Kleider haben.
Also heißest du ordentlich, was ich nicht so heiße. Und dein Sohn ist ordentlich, wie du es meynst, und nicht ordentlich, wie ich es meyne. Bin ich nun bald gescheid? Höre!
Je! ja doch. Wenn du nur gesagt hättest, er wäre ordentlich. Hättest du es doch meynen mögen, wie du gewollt hättest. Hättest du es nur gemeynt, wie ich es meyne! Aber siehst du?
Nun! es ist gut! es ist gut! Gieb dich nur zufrieden, ich mag den Bettel nicht haben, wenn es mich meine Pelze kosten soll.
Und meinen Sohn sollst du auch zufrieden lassen. Es ist meine Zucht. Wenn du mit mir zufrieden seyn kannst: so kannst du mit meinem Sohne auch zufrieden seyn.
Siehst du. Ach! du bist mit mir nicht zufrieden! Du hast mich gar nicht lieb! Wenn doch mein seliger Mann nimmermehr gestorben wäre!
Ich glaube, du weinst, mein Herzchen. Nein! nein! ich will lieber mit dir zufrieden seyn, und mit deinem Sohne auch. Laß nur deinen seligen Mann nicht wieder holen.
Je! da kömmt ja mein Fortunat. Nun! da ist er ja. Je! mein Fortunat, bist du nun Secretär? Ja, ja, ich sehe dir es an. Du siehst nun noch einmal so vornehm, als vorher. Je! Herr Secretär, Herr Secretär, Herr Secretär!
Je! ja doch. Du willst es nur nicht sagen. Nicht wahr? Was sagte denn der Minister? Hast du dich denn recht höflich bey ihm bedankt?
Wenn ich eine halbe Stunde eher bey ihm gewesen wäre: so könnte er mich versichern, daß er meiner im besten gedacht haben würde. Aber nun hätte jemand anders sein Wort.
Ich habe noch alles, was ich gehabt habe, ehe ich zu ihm gegangen bin. So gar die Hoffnung habe ich noch.
Da ist nicht zu fragen? Wenn man was kriegt, bedankt man sich. Und wenn man nichts kriegt: so bedanket man sich auch!
Ich will sie dir sagen. Sage du sie deinem Sohne wieder. Dein Sohn ist ein Mensch, der viel thut, und doch nichts: und du bist Ursache daran; denn du hast ihn verzogen. Das ist die Wahrheit, die ich dir zu sagen habe. Du kannst sie deinem Sohne auch sagen. Ich will wieder zu meinen Pelzen gehen.
Siehst du, Fortunat? so viel Noth machst du mir. Ich muß allezeit für dich leiden. Mein Mann spricht, ich habe Schuld, wenn du nichts zu rechter Zeit thust. Ach! wenn du nur da gewesen wärst! und gesehen hättest, was ich deinetwegen ausgestanden habe: du würdest noch heute anders, Fortunat. Ich wette darauf, heute würdest du anders! Das hast du nun gemacht, Fortunat, und zwar mit deinem Herumstreichen. Nun bist du nicht Secretär, und hast in Ewigkeit keine Hoffnung dazu.
Warum denn? Er sagte, er hätte mich dessentwegen nicht vergessen. Er wollte schon an mich denken. Ja, er war so gnädig, und sagte, es könnte zu meinem Besten seyn.
Wie? zu deinem Besten? lieber Fortunat! Ach! du Herzens-Fortunat! Ach! das ist ja schön. Nun mag immer das Glück die Schuld haben, wenn du nur den Minister zu deinem Besten versäumt hast.
Was werfen sie mit aber vor, Mama? Jungfer Lieschen, die sie immer ihrer Ordnung wegen loben, säumt gewiß noch länger zu uns zu kommen, als ich gesäumt habe, zum Minister zu gehen.
Ich dachte, was dir fehlte! Wenn du gleich auch ein Minister wärst! Und deswegen hättest du ihr doch nichts vorzuwerfen. Sie könnte noch einmal wiederkommen?
Ja. Ich habe dich wohl in meinem Leben nicht gequält! Es ist nicht anders, Fortunat: sie ist schon fort: und wir sind in unsrer Sache nicht gar weit gekommen.
Was willst du? Willst du nicht auch etwan den Termin versäumen? Um halbweg viere hast du bey Stromen seyn sollen; und es ist schon um viere. Ich will dich gleich zu Stromen tragen lassen. Ich habe es ihm versprochen. Friedrich! Friedrich!
Ich glaube, sie rufen nach einer Sänfte. Das wäre doch ein artig Mittel, mich hinzubringen. Es ist doch Schade, daß sie keinen Pedell haben; sie könnten ihn neben her gehen lassen: so wäre der Arrest vollkommen.
Wenn ich spreche, ich habe noch so viel Hoffnung, als vorher, Secretär zu werden: so sind sie ungeduldig. Und wenn sie sprechen, ich habe noch so viel Hoffnung, als vorher, daß Jungfer Lieschen meine Liebste wird: so bin ich es noch zehnmal mehr.
Und ich will sie auf den Abend zu Tische bitten, und Musik kommen lassen, und tanzen: Das sage ich ihnen, Mama! denn ich muß den Verlust von ihrer Gesellschaft wieder einbringen.
Ich habe sie lieb. Aber, wenn sie mich lieb haben: so thun sie mir es zu gefallen. Allerliebste Mama, sie werden mir doch meine Liebste nicht aus den Händen gehen lassen? Ja, ja, sie thuns: ich will sie herbitten. Sie werden für das andre sorgen. Ich bringe sie gewiß!
Nun weis ich genug. Das müßte nicht gut seyn, wenn ich nicht wüßte, wohin alle Mädchen spazieren giengen.
Nimmermehr! Mama. Was wäre denn das für eine Aufführung, wenn ich meiner Liebsten wegen, es nicht übers Herze bringen könnte, einen Termin zu versäumen? Aber anziehen muß ich mich erst, Mama. Die silbernen Schnallen!
Mama! so gern ich die silbernen Schnallen einmachte:
Läufst du doch, Fortunat? Ich sage dirs, wenn du nicht zu Stromen gehst: so mache ich auf Jungfer Lieschen nicht das geringste zurechte. Du magst hernach sehen, worauf du sie tractirst. Da läuft der böse Mensch doch fort. Cathrine! Cathrine!
So muß ich doch wohl bleiben, weil ich alles beydes bin. Sonst hatte ich große Lust zu sehen, wie ich davon käme. Nun! was haben sie denn so notwendig, daß sie die Jungemagd und die Köchinn zugleich brauchen?
Ich regiere, Frau Sylvesterinn: ich will es ihnen gleich sagen, wie es zugeht. Sie regieren ihren Herrn. Ihr Sohn regiert de. Und die Jungfer Jungemagd, und die Jungfer Köchinn in ihrem Hause regiert ihren Herrn Sohn. Also regiere ich sie alle.
Kann ich dafür, wenn meine Macht über die Herzen so groß ist? Wenn ich ihn nicht regierte, so bliebe er wohl unregiert, und sie würden noch tausendmal mehr Noth mit ihm haben. Wenn er nur da wäre: so wollte ich ihm befehlen, daß er ihnen befehlen sollte, daß sie ihrem Herrn befehlen sollten, daß heute kein Mensch ins Haus kommen dürfte, der aussähe, wie ein Gast. Und so brauchten sie weder die Jungemagd noch die Köchinn.
Was zu haben ist? Wenn ich nun wiederkomme, Frau Sylvesterinn; sie haben das und das: so heißt es; geh geschwind, und sieh, wie theuer es ist. Und wenn ich nun spreche: es ist so und so theuer, hernach heißt es, Cathrine, geh, hole es. Frau Sylvesterinn, wie viel Personen wollen sie denn haben.
Das weis ich nicht So viel, als ihrer kommen. Und mache ja alles so schön, als du kannst, damit mein Sohn nicht sprechen kann, ich sorge nicht für ihn.
Nun! es ist gut: ich will gehen. Er soll nicht allein nicht sprechen: Cathrine, du hast für mich gesorgt – – – Da ist Herr Sorger, Frau Sylvesterinn.
Frau Schwester, ich muß ihnen doch auch meinen Glückwunsch abstatten, daß ihr Sohn Secretär geworden ist: denn ich zweifle nicht, daß er es nun seyn wird.
Herr Bruder, ich glaube, du fängst auch an die Leute zu höhnen. Ich habe dich immer noch für jemanden gehalten, dessen seine Worte lauter Wahrheiten sind: aber fange es nur nicht so an. Sonst traue ich dir nicht eine Sylbe mehr.
Was fehlt ihnen denn, Frau Schwester? Was habe ich ihnen denn gethan? Es ist unmöglich, daß ihr Sohn nicht Secretär seyn sollte.
Ich bin noch heute bey sechs Personen gewesen, die ich alle auf das inständigste gebethen habe, und die mir alle versprochen haben, ihr möglichstes zu thun.
Je! was muß denn die Ursache seyn? Ich habe mir mein Tage so viel Mühe nicht gegeben. Mein Tage habe ich auch so viel Versicherung nicht gehabt!
Je! was hat er denn gethan? Es muß was rechtes seyn! Es wäre sonst unmöglich zurückgegangen. Sollte er denn was vorgehabt haben, das der Minister erfahren hätte?
Ey, ey, ey! Frau Schwester, nehmen sie mir es nicht ungütig. Ich habe es wahrhaftig nicht gewußt, ich würde ihnen sonst nimmermehr Glück gewünschet haben.
Aber ich muß dir sagen, Herr Bruder, mein Mann spricht immer: Fortunat sorgt für gar nichts. Aber ich sehe nun, daß es lauter Eigensinn ist. Er sorgt wohl.
Nein! darum ists ihm auch nicht zu thun. Aber ich will dir sagen, wofür er sorgt: es ist doch ein gutes Kennzeichen. Für Jungfer Lieschen sorgt er ganz unbeschreiblich. Er hatte die Zeit versäumt, da sie uns ihren Besuch abstattete. Er war nicht darüber zu trösten; er gieng, ohne sich wieder von neuem anzuziehen, den Augenblick nach ihr. Er will sie Abends hier zu Gaste haben; er will Musik darzu haben; und läßt sich es sehr angelegen seyn.
Das ist eben meine Noth, Herr Bruder. Ich habe ihn vor lauter Sorgen über seine Liebste nicht dazu bringen können, daß er zu Stromen gegangen wäre. Ich bin ihm bald zu Fusse gefallen: aber ich konnte nichts erhalten. Sage mir doch, was mache ich denn, Herr Bruder?
Ich sehe gar keine Hülfe, Frau Schwester. Ihr Sohn hätte die Liebste allezeit eher wieder gekriegt, als den Proceß.
Ich wüßte wohl, Herr Bruder. Aber soll ich des leichtfertigen Menschen wegen zur Lügnerinn, zur Betrügerinn, zur Causenmacherinn werden.
Wenn das ist, Frau Schwester: so sind sie weder eine Lügnerinn, noch eine Betrügerinn, noch eine Causenmacherinn.
Ganz gewiß geht es an! Höre nur, Herr Bruder: Renner war da, und sagte, er wollte compromittiren, wie er es hieß.
Nein! er war nicht da. So dächte ich, Herr Bruder, lieber Herr Bruder! du nähmest die Mühe über dich, und giengst zu ihm, und sagtest, mein Sohn und Strom wollten compromittiren. Hörst du, lieber Herr Bruder?
Je! es schadet ja niemanden. Ich weis auch nicht einmal, ob das einem vorlügen heißt. Mein Sohn will gewiß, das weis ich, und wenn sie auf hundert Jahr compromittiren wollten: und Strom muß wollen, ehe er den Proceß verloren giebt. Ich kann mir sonst ganz und gar nicht helfen.
Sie nehmen doch nicht ungütig, Herr Strom, wenn ich dießmal die Ehre nicht haben kann, ihrer Gesellschaft zu genießen.
Sie mögen mir glauben oder nicht: so kann ich sie versichern, daß es aus keiner andern Ursache geschieht, als weil ich nicht Zeit habe.
Gehe doch, Herr Bruder. Herr Strom nimmt es nicht übel. Er weis auch, wie es ist, wenn man zu thun hat.
Nun! Frau Sylvesterinn. Haben sie ihren Sohn sich vor ihren Augen in die Sänfte setzen lassen? Haben sie ihn zu mir tragen lassen, und zwar um halb vier Uhr?
Herr Strom, sie sind der hitzigste Mann, den ich auf der Welt gekannt habe. Ich würde das alles wohl gethan haben, wenn ich es für nöthig befunden hätte.
Und sie sind die kaltsinnigste Frau, mit der ich in meinem Leben entweder gehandelt, oder proceßiret habe, oder verwandt gewesen bin. Sie haben es nicht für nöthig befunden? Sehn sie doch! Es ist nicht genug, daß ich ihren Sohn zu meinem Unglücke zum Advocaten habe? Nicht wahr? Ich soll auch noch sie zur Consulentinn haben, damit ich recht gestraft werde!
Nun! ich sage, daß ich es nicht für nöthig befunden habe; und ich will es noch zehnmal sagen, wenn sie es haben wollen.
Und ich befinde für nöthig, und will es ihnen einmal sagen, und nicht mehr: daß ich aus ihrem Hause gehen will, und daß sie sprechen sollen, ich habe alle meine Käufer betrogen, wenn ich mein Wort nicht halte, und in meinem Leben ein einzigmal wieder hereinkomme.
Herr Strom, hören sie mich doch nur! Der Termin ist aufgehoben. Mein Sohn hat mit dem Kläger compromittiret.
Seht ihrs? Thut sie nicht noch wie ein Bißchen mehr, als ein Advocat? Sie wird wohl auch noch Consulentengebühren haben wollen. Was reden sie mir denn für Wörter vor? Man hat mit den Advocaten genug zu thun, daß man sie versteht. Fangen denn die Weiber auch noch an, so zu reden?
Ich kann es ihnen nicht anders sagen, als ich es gehört habe. Recht weis ich selber nicht, was es ist.
Gleichwohl haben sie es nicht für nöthig befunden, ihren Sohn hinzuschicken: damit ich die Ehre haben könnte, ein paar Wörter von ihnen zu hören, womit ihnen der Herr Fortunat das Maul geschmieret hat, und die sie selber nicht verstehen.
Ja! wenn ich sie nun zum Reden kommen ließe: so könnten wir den Termin vollends verreden, und ich käme doch wohl nicht an die Reihe, daß ich auch reden könnte.
Ich nicht! Aber des Klägers sein Advocat und mein Sohn haben einander versprochen, daß heute beyde Parteyen nicht da seyn wollen, und der Termin soll ausgesetzt seyn, bis auf ein andermal.
Der Teufel muß doch ihren Sohn reiten, daß er die Termine aufschiebt! Er wird mir wohl das Geld alle aus dem Beutel proceßiren wollen, daß er mir den Proceß verlängert.
Herr Strom, es kann ihnen ja nichts schaden. Unterdessen werden die Zeuge wieder wohlfeil: so wird ihr Kläger nicht so sehr drauf dringen.
Ich habe es ihnen gesagt, daß ich nicht sie, sondern ihren Sohn zum Advocaten haben will: wenn gleich einer so viel davon versteht, als der andre.
Ich komme gar nicht her, daß ich mit ihnen reden will, außer daß ich ihnen habe vorwerfen wollen, daß sie mich betrogen haben. Nur mit ihrem Sohne habe ich reden wollen!
Reden sie denn schon wieder von einem andern Advocaten? Mein Sohn mag auch denken, er macht es noch so gut, und ich dazu: so macht man es ihnen doch niemals recht.
Sie sollen nichts machen: sie mögen es gut oder nicht gut machen. Und ihr Sohn soll sich nicht unterstehen, ohne mein Vorwissen die Termine aufzuschieben.
Er könnte wohl auch den Proceß verlieren, und es nicht mehr thun wollen. Einen Proceß verliert man nicht mehr als einmal.
Ich will mich besinnen. Aber das sage ich ihnen: die Wahrheit
Sage mir doch, Cathrine, was sollte ich denn aus der Stube hier neben an holen? Ich gab nicht Achtung, was die Mama sagte.
Närrinn! weswegen hätte ich dich denn mitgenommen? Ich dachte, du hättest es gehört: so solltest du mir es sagen.
Ach! ich bin ganz müde. Kann Fortunat den Leuten nicht Noth machen! Die Mama, und ich, und du, wir haben alle zu thun.
Ja, die Mama würde mich anlassen! Höre sie, Jungfer Fiekchen, wir wollen eine Weile ausbleiben. Hernach wollen wir gehen und sagen, wir können es nicht finden: so muß doch die Mama es genauer beschreiben. Hernach gebe sie Achtung: so weis sie, was sie holen soll.
Das ist doch ein vortrefflicher Rath, liebe Cathrine! So will ich mich hersetzen, und ein Bißchen ausruhen, und die Augen zumachen.
Pfuy! schäme sie sich. In der Stube soll heute noch getanzt werden: und sie will hier faullenzen. Ach! wenn ich nur heute mittanzen dürfte. Ich habe recht lange nicht getanzt; ich wüßte mich bald seit einem Jahre nicht zu besinnen, wenn ich getanzt hätte. Das verzweifelte Ding, daß ich Jungemagd und Köchinn zugleich bin! Wenn die Jungemagd zu Tanze gehen will: so muß die Köchinn zu Hause bleiben. Und will die Köchinn gehen: so muß die
Ich möchte nur wissen, was du von dem Herumspringen hättest? Meinetwegen möchte kein Tanzmeister und keine Musik auf der Welt seyn. Die Tanzmeister brechen einem die Beine bald entzwey. Und wenn nur noch keine Musik wäre: so wäre auch keine Cadanz. So möchte man doch tanzen, wie es einem bequem wäre, wenn das Getanze ja seyn sollte.
Nein! Jungfer Fiekchen, ich muß zum voraus tanzen, weil ich hernach nicht mittanzen kann. Komm sie her. Schäme sie sich! Wer wird denn so stille seyn? Tanze sie mit. Ich will Fortunat seyn: sey sie Jungfer Lieschen.
Ihr Bruder tanzt alle Tage, und sie will gar nicht tanzen. Ich darf mich nicht auf der Stube sehen lassen: so heißt es: kommt her, Cathrine, tretet einmal daher, ich muß was aus dem Tanze probiren; ich vergesse ihn sonst ganz. Ich kann mich schon nicht recht darauf besinnen. Hört, ihr dummes Ding, hieher sollt ihr treten! Nun es ist gut, da stehe ich. Da fängt er an um mich herum zu springen. Nun geht daher! da springt er wieder. Nun dorthin! wieder gesprungen. Und wenn ich nicht davon liefe: so tanzte er den ganzen Tag um mich herum.
Ach! geh fort! geh! geh! ich wollte dich führen. Du könntest wohl einen Todten mit der Laute aufwecken, so jämmerlich klingts: geschweige denn, daß ich darüber einschlafen sollte.
Ey! denke sie doch. Weis sie das? Man sollte die Leute nicht eher tadeln, bis mans besser machen kann. Es mag klingen, wie es will: es muß ihr schöne klingen, denn sie kanns nicht besser.
Es liegt nur an mir, daß ich es nicht besser kann, als du: mein Bruder hat mich es lange lehren wollen. Aber es kostet so viel Mühe: drum will ich nicht.
Aber Jungfer Fiekchen, wenn die Gäste kämen, und sähen mich mit der Laute da stehen: ich wüßte nicht, was ich thäte! Ins Futteral könnte ich sie so geschwinde nicht wieder legen.
Ich glaube, daß ich aussehe, wie der dritte von den fünf Sinnen, die ihr Bruder gemalt hat. Wenn die Leute kämen: so dächten sie doch wohl, ich wäre das leibhaftige Gehör.
Sie ist auch gar zu nichts zu bringen, Jungfer Fiekchen. Tanzen muß ich heute einmal vor allemal. Nun! so will ich auch ganz allein tanzen, und die Musik selber dazu machen, wenn man gleich nichts davon hört. Das Ding muß artig aussehen.
Ich kann ihnen die Versicherung geben, daß ich niemals so eifrig, so gerade, so hurtig nach einer Sache gegangen bin: als ich dießmal gethan habe, sie wieder zu uns zu bringen.
Sie haben mich aus meiner ganzen Ordnung gerissen. Wir waren gleich im Begriffe nach Hause zu gehen, und es waren Dinge zu Hause, die recht auf mich warteten. Sie können glauben, daß ich recht böse auf sie bin.
Sie würden mich nimmermehr darzu gebracht haben, wieder zu ihnen zurück zu kommen: wenn ihnen meine Mama nicht beygestanden hätte, und wenn sie nicht selber noch gegangen wäre, einen Theil meiner nöthigsten Geschaffte zu besorgen.
Gewiß niemand. Aber es ist etwas anders, das mir verhaßt ist, und das mich hätte abhalten sollen, mich im geringsten bewegen zu lassen.
Verursachet man denn Unordnung in einem Hause, wenn man nicht da ist. Wenigstens weis ich aus der Erfahrung, daß ich mehr Unordnung in meinem Hause mache, wenn ich da bin, als wenn ich nicht da bin.
Das kann ich eben nicht sagen: denn ich bin mehr außer dem Hause, als in dem Hause. Und weil ich nur Unordnung stifte, wenn ich zu Hause bin, und nicht, wenn ich nicht zu Hause bin: so verhüte ich mehr Unordnung, als ich stifte.
Das Bekänntniß ist unmöglich ihr Ernst: denn gewiß, mit ihrer Erlaubniß, es ist nicht zu ihrem Vortheile.
Nicht wahr? sie möchten mir Schaden daran thun! Die Mannspersonen wissen mit solchen Sachen nicht umzugehen.
Das haben sie nicht zu besorgen. Ich müßte mich schämen, wenn ich mit einem Fächer nicht umgehen könnte. Ich dächte fast, es wäre so viel, als wenn ich mit dem Frauenzimmer selber nicht umgehen könnte.
Man würde dessentwegen nicht weniger von ihnen halten, wenn sie auch gleich mit einem Fächer nicht umzugehen wüßten.
Der Fächer ist schön gemalt. Ich hatte mir vorgenommen einen zu malen: aber ich darf es nunmehr nicht wagen.
Ich kann nicht sagen, daß mir die Malerey gefiele. Ich kann sie gar nicht auf den Fächern finden, wie ich sie haben will.
Ich bin ganz und gar keine Kennerinn: aber ich habe nur niemals einen Fächer finden können, der mir gefallen hätte. Man malt so viel unnütze Dinge drauf. Die Leute mögen lachen, wie sie wollen. Ich dächte, wenn ich malen könnte; ich malte mir einen Kalender darauf. Denn der Fächer ist gewiß der allerbequemste Ort allemal einen Kalender bey sich zu haben, zumal da man ihn itzo Sommer und Winter trägt. Und wenn es ja Zierrathen dabey geben sollte: so ließ ich mir etwan auf die andre Seite eine Uhr malen.
Sie haben auch ein Sinnbild? Haben sie noch keine Ueberschrift dazu? Ohnfehlbar ists: Wenig doch ordentlich; wie sie vorhin sagten.
Ach! das ist ja schön, daß sie mir darauf helfen: ich habe noch keine Ueberschrift gehabt. Wenigstens muß man ihnen das lassen, daß sie sinnreich sind.
Ich werde ihnen ihr Sinnbild malen, wenn sie es erlauben wollen. Es soll mein erstes Geschäffte seyn.
Ich will es ihnen sagen. Ein Schäfer, der wie ich gestaltet ist, und zu den Fassen einer Schäferinn liegt, die recht schön und recht artig, und ihnen ähnlich ist.
Ich kann sie versichern, daß ich die Zeit meines Lebens kein ander Sinnbild haben werde, und daß auf der Welt sich keines besser für mich schickt, als das.
Sie werden es vielleicht allezeit ein Bild bleiben, und niemalen eine wahrhafte Sache werden lassen. Ich muß gestehen, man führt mich heute in ihrem Hause recht sehr in Versuchung.
Sie kommen schon, Mama. Mit Erlaubniß, haben sie meine Geschaffte zu Hause versehen? Haben sie die Uhr aufgezogen?
Sehn sie, mein Herr, was sie mich alles hätten versäumen lassen, wenn die Mama es nicht auf sich genommen hätte. Aber das muß ich ihnen doch sagen, daß ich eine Stunde genähet haben würde, wenn ich zu Hause gewesen wäre; und daß ich nicht weis, wie ich es wieder einbringen soll.
Glaube ich doch, sie machen sich mehr Gewissen, eine Nähstunde zu versäumen, als ich einen Proceß. Ich weis gewiß, daß ich ihnen für diese einzige Nähstunde zehn Termine aufopfern wollte.
Ey! einem Menschen, von dem ich wüßte, daß er wichtige Geschäffte versäumte, dem würde ich in meinem Leben nicht wieder
Es ist mir ein rechtes Vergnügen gewesen, da ich vorhin gesehen habe, daß sie ihrer Geschäffte wegen unsern Besuch versäumet haben. Das ist die einzige Ursache, warum ich meine Tochter beredet habe, ihnen das Vergnügen zu machen, und wieder hieher zu kommen. Ich glaube, daß sie ihnen die Vergeltung schuldig ist, und wenn sie mit ihrer Arbeit einmal aus Nacht Tag machen sollte.
Wenn sie Liebhaberinnen von der Musik sind, will ich ihnen etwas auf der Laute vorspielen. Ich habe der Jungfer Lieschen vorhin was gesagt, darauf sie mir noch nicht geantwortet hat. Ich will sehen, ob sie mir antworten werden, wenn ich es ihnen vorsinge und vorspiele.
Ich glaube, daß ich ihnen noch weniger antworten werde. Ich würde ihnen meine Antwort nicht auch singen können: und was singend gefragt wird, das darf man nicht redend beantworten.
Sie singen also auch? Sie können ja alles. Es fehlt nichts, als daß sie noch auf dem Seile tanzen könnten.
Ich glaube, daß ichs kann. So gehts ungefehr – – – – Ich habe meine Laute gleich bey der Hand. Hier ist sie. – – – Wie geht denn das zu? Wie ist das möglich? Hier ist das Futteral: und meine Laute ist nicht da. Es darf sie ja niemand anrühren! Ich weis nicht, wohin sie gekommen ist.
Sie haben unfehlbar jemanden ein Ständchen damit gebracht: und da werden sie sie noch gelassen haben.
Habe ich sie denn auch wohl wieder aufgehoben, da ich sie das letztemal gebraucht habe? Ich muß nachfagen. Erlauben sie, daß ich sie einen Augenblick verlasse.
Nun, Lieschen. Glaubst du bald, was ich dir vorhin bey dem Spazierengehen gesagt habe? Wie gefällt dir denn der Herr Fortunat?
Ich fange bald gar an zu glauben, daß es Ernst ist; zumal da der alte Herr Sylvester vorhin davon redete. Denn Herrn Fortunaten allein glaubte ichs nun wohl eben nicht. Ich dächte auch wohl noch, ihnen alles offenherzig zu sagen, er gefiele mir. Aber wenn er nicht weis, wo er seine Laute hingethan hat: so darf er sich keine Rechnung machen, daß ich ihn lieb haben kann. Wer weis, ob er nicht für seine Laute am meisten sorgt? und wie wird er mit den übrigen Sachen umgehen, für die er nicht so sehr sorgt?
Du gutes Kind, du willst einen ordentlichen Mann haben, weil du selber ordentlich bist. Höre nur, Lieschen, ich will dir was sagen: was hilft dir denn die Ordnung, wenn zwey ordentliche Leute zusammen kommen?
Was hülfe sie denn, wenn ich mit einem unordentlichen Manne zusammen käme? daß er zerstörte, was ich gebaut hätte?
Je! die Tugend will Gelegenheit haben. Denke nur an: wenn ein Frauenzimmer, das geduldig ist, einen Mann hätte, der auch geduldig wäre, was würden sie denn vor lauter Geduld anfangen? Der Mann thäte der Frau nichts, und die Frau dem Manne nichts: und so stürben sie, und es wäre noch die Frage, ob es dem Redner bey der Gedächtnißrede in den Kopf käme, daß die beyden Leute geduldig gewesen seyn sollten. Aber wenn eine geduldige Frau einen bösen Mann hat: da sieht man erst, was für Geduld in ihr ist, und da müßte einer blind seyn, wenn er es nicht sähe.
Warum träfe es denn nicht überall ein, Lieschen? Wenn der Mann viel Geld verthut, und die Frau sparet; so sprechen alle Leute: der Mann müßte aus dem Lande laufen, wenn er nicht eine so haushältige Frau hätte. Wenn der Mann geizig ist, und die Frau ist freygebig; so sprechen die Leute: es kriegte kein Mensch in dem Hause zu essen, wenn die Frau nicht wäre. Wenn du nun ordentlich wärest, und dein Mann auch, wer würde denn sprechen: die Frau hält ihren Mann recht in Ordnung. Und was wolltet ihr euch zu thun machen? Du würdest, wie itzund, wechselsweise einreißen, und wieder bauen müssen: damit euch die Weile nicht lang würde.
Und dein Mann auch niemals recht in Unordnung. Ach! Lieschen, zwey Leute von einerley Art brüten mein Tage nichts Gutes aus. Wenn einer spräche: ich will das und das recht schön haben. Je! fürstlich wollen wir es haben, mein Kind! spräche der andre. Je! nun! wenn du so denkst, hieße es hernach, so ist mirs
Ach, Mama, mit ihrer langen Predigt machen sie nimmermehr, daß ich einen unordentlichen Mann haben wollte, der mich zu Tode ärgerte. Fortunat geht zwar doch ordentlich in Kleidern: aber wenn er nicht weis, wo er die Laute hat, so lobe ich mir Rennern. Der ängstet sich doch über alle seine Sachen, und denkt, er wird sie versäumen. Geputzt geht er nicht, aber er hat seine Ordnung innerlich.
Nun! so lassen sie mich doch nur vor den Leuten gehen: sie sollen ja ihre Laute wieder haben. Hier neben an liegt sie.
Sie dürfen mir es gar nicht zurechnen, Jungfer Lieschen, daß ich meine Laute nicht gleich bey der Hand gehabt habe. Das muthwillige Mensch ist Schuld daran. Ich weis nicht, was sie damit vorgehabt haben muß.
Nun! nun! geben sie sich zufrieden. Hier ist ihre Laute so unverletzt, als ich sie aus dem Futterale genommen habe. Und Frau Richardinn und Jungfer Lieschen, ich will ihnen eine theure Versicherung geben, daß ich es bin, der seine Laute entführet hat. Behüte Gott! der ordentliche, sorgsame Herr würde nicht wissen, wo seine Laute wäre. Seine Liebste wird gewiß mit ihm zufrieden seyn, wenn er einmal so gut für sie sorgt, als für die Laute. Da haben sie sie wieder, zu eignen Händen, und quittiren sie mich zu Dank, daß sie sie richtig erhalten haben. Ich muß laufen. Wenn sie sonst anfiengen zu spielen, möchte es so herzbrechend seyn, daß ich nicht wieder davon kommen könnte.
Weswegen das nicht? Warum soll er ihnen mit seinen Erzählungen, und mit Beratschlagungen über seinen Proceß, die Ohren belästigen.
Wollen sie mich wieder abweisen? Soll ich zum siebentenmale fortgehen, ohne eine Sylbe mit ihnen reden zu können. Ist das eine Ursache einen ehrlichen Mann fortzujagen, weil sie Besuch haben? Wenn soll man denn zu ihnen kommen? Man weist mich ab, wenn sie zu Hause sind: und wenn sie nicht zu Hause sind, weist man mich auch ab. Warum habe ich sie heute den ganzen Tag nicht zu sehen gekriegt? Was haben sie denn zu thun gehabt? Reden
Wenigstens einmal: wenn ich spreche, daß sie ein müßiger, fauler, sorgloser und noch dazu ein verwegner Mensch sind.
Was die Verwegenheit anbetrifft: so werde ich vielleicht noch an ihnen die erste begehen, wenn sie nicht stille sind.
Es hat keine Noth! Ich habe noch gar nichts darinnen vorgenommen, ohne ihre Erlaubniß. Und wenn ich es nun gethan hätte! Es ist aber nicht geschehen.
Herr Renner! Sie müssens am besten wissen. Habe ich mit ihnen compromittiret? Ich weis zwar selber nicht, was Herr Strom damit haben will: aber sagen sie es aufrichtig.
Sie ließen mich zwar drum ansprechen, Herr Fortunat: aber es war zu spät. Ich hätte nicht anders gekonnt, als gerichtlich: und da waren sie nicht da; und der Termin wäre zu Ende gewesen, eh es geschehen wäre.
Sie haben ja Herrn Sorgern an mich ge schickt. Ich bitte sie nur nochmals: nehmen sie es nicht ungütig, daß ich ihnen nicht zu Willen seyn konnte. Es war gar nicht möglich zu machen.
Ich bedanke mich bey ihnen, Herr Renner, daß sie es nicht gethan haben. Er hat es ohne meinen Willen gethan: es ist schon recht.
Ach! allerliebster Herr Strom, was fangen sie für Lärmen in meinem Hause an? Wollen sie denn meinem Sohne alle Ehre nehmen? Wollen sie ihn denn vor allen Leuten zu Schanden machen?
Mein Sohn war nicht davon zu bringen, daß er Jungfer Lieschen wieder zu uns holen wollte, und ich dachte, darüber versäumte er den Termin.
Aber Herr Renner hat es doch nicht gethan: und das ist recht! Warum ist es ohne meine Erlaubniß geschehen?
Das macht, daß sie den Proceß heute verloren haben, den sie sonst erst in langer Zeit verloren hätten.
Ja, sie sind contumacirt, und haben zu gewarten, daß sie als einer, der nicht erschienen ist, und also die Klage zugiebt, zu allem angehalten werden, was der Kläger verlangt. Das wollte ich Herrn Fortunaten sagen, und darum kam ich her.
Ach! ich armer Mann. Der Proceß ist verloren! Nun, Herr Fortunat, das soll ihnen theuer zu stehen kommen, und ihnen dazu, Frau Muhme. Ich weis nun einen Proceß, den ich an statt des verlornen gewinnen will.
Vorhin war nicht itzt: und itzt ist nicht vorhin. Der Minister hatte mir vorhin gleich die Secretärstelle gegeben, die ihr Herr Sohn versäumt hat. Ich hatte noch nothwendige Wege, derentwegen ich dachte, daß ich den Termin nicht würde abwarten können. Da es aber nicht angieng, und er nicht anzutreffen war: so mußte ich mir anders helfen, und das ist geschehen.
Sie haben Herr Stromen nicht vor sich gelassen, eine Secretärstelle und einen Termin versäumt? Pfuy! sie sind der hassenswürdigste Mensch auf dem ganzen Erdboden.
Ach! kehren sie sich doch daran nicht. Es wird alles gut werden. Da habe ich ja meine Laute: ich wollte ihnen vorhin was vorspielen.
Ich hasse ihre Laute so sehr, als sie: denn sie wird von einem Menschen gespielet, der sie nicht so schön spielen können sollte.
Unterstehen sie sich nicht, mir wieder zu sagen, daß sie mich lieben. Ich müßte mich schämen, von dem müßigsten Menschen von der Welt geliebet zu werden. Mama, wir wollen gehen: er verdient es nicht, daß wir seinetwegen das geringste versäumen.
Herr Renner, begleiten sie meine Tochter nach Hause. Sie haben heute ihrer Eilfertigkeit einen rechten Ehrentag zu danken.
Ende des fünften Aufzuges.