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Ein armer Landedelmann hatte acht Töchter, die er gerne an den Mann bringen wollte. Es waren alle acht hübsche Mädchen. Der Vater, wenn er sie einem Fremden vorführte, pflegte zu sagen: »Hier ist meine älteste Tochter:
Nun wohnte ein ganz vollkommener Kavalier in der Gegend, der liebte schöne Frauen über die Maßen, der hörte von den acht hübschen Mädchen und erschien deshalb bei dem Edelmann. Er kam mit einer Kutsche und vier Pferden angefahren. Zwei Lakaien öffneten den Schlag des Wagens, und ein Strom von Rosen und Veilchenduft verbreitete sich, als der vollkommene Kavalier ausstieg und dem Edelmanne seine Verbeugung machte, indem er sagte:
»Aber welche nehme ich?« sagte der Freiersmann
Die soll meine Gemahlin werden; wir wollen ja sehen, vielleicht bekomme ich die andern auch noch. Es pflegt oft kurios zu gehen, mit den jungen Weibern, sie leben nicht allzulange, und man ist sie bald wieder los. Besonders diese, die ist schon jetzt so fett, daß sie gar nicht mehr gut Atem holen kann.«
So dachte der Freiersmann und nahm Annett', die mit ihm nun von dannen fuhr in das Schloß ihres Gemahls. Der alte Edelmann weinte einige Tränen beim Abschied. Es dauerte nicht lange, so kam eine Kutsche mit vier Pferden und den zwei Lakaien wieder vorgefahren, und der vollkommenste Kavalier stieg aus, machte eine tiefe Verbeugung, zeigte auf den Trauerflor an seinem Arme und sagte:
Der alte Baron erschrak zwar über die Nachricht; er faßte sich aber bald wieder und erwiderte ebenfalls mit einem tiefen Bückling:
Bald kam jedoch der Freiersmann nochmals und dann nochmals, und endlich war er siebenmal dagewesen und kam zum achten Male, und da es nach der Reihe ging, von unten aufwärts, so freite er noch zu guter Letzt um Suse.
Der Edelmann rief: »Aber, wie ist mir, mein Lieber, Sie scheinen Talent für das Witwerfach zu haben. Siebest Frauen tot, und nun geht's gar an die achte. Nehmen Sie's mir nicht übel, aber die Sache kommt mir etwas sonderbar vor.«
»Die zarte Natur, mein teurer Schwiegervater, die zarte Natur der lieben Kinder«, entgegnete der schöne Kavalier.
»Nun denn!« entgegnete der Baron, »ich geb' Ihnen meine achte, doch mit dieser gehen Sie hübsch säuberlich um, hören Sie! – Ich bin schon etwas bei Jahren und kann, wenn ich mir auch noch so sehr Mühe gebe, keine neue Tochter in die Welt setzen.«
Suse stand hinter ihrem Vater, als er so sprach, und sagte bei sich selbst: »Nun, verlaß dich nur auf mich, Vater, ich bin nicht auf den Kopf gefallen, obgleich ihr mich immer nur die Suse – etwas konfuse –
Und als sie in die Kutsche steigen wollte, um mit ihrem Gemahl auf dessen Schloß zu reisen, zog sie ihren Vater beiseite und sagte zu ihm: »Hier ist ein Glöckchen von Silber, liebster Vater; das hat mir meine Pate, die eine mächtige Fee ist, geschenkt. Stelle das Glöckchen auf deinen Schreibtisch. Sobald du es von selbst klingeln hörst, so mach' dich geschwind auf und eile mir zu Hilfe, denn ich werde mich dann in gar böser Gefahr befinden.«
Der alte Baron versprach dies und nahm das Glöckchen. Dann umarmte er seine einzige Tochter zärtlichst und vergoß dabei so viel Tränen, wie bei allen andern sieben zusammengenommen.
Die junge Frau, als sie auf dem Wege nach dem Schloß ihres Eheherrn befand, sang still vor sich hin:
Und nun nahm sie den vollkommenen Kavalier recht genau in Augenschein; allein, so sehr sie sich Mühe gab, sie konnte nichts an ihm entdecken, was nicht vollkommen gewesen wäre. Die Augen, die Zähne, die Haare, der Wuchs, die wunderschöne Farbe, nur der
Nun fuhren sie ins Schloß. Dies war ein herrliches Gebäude und überall auf alle Wände stand mit großen goldenen Lettern geschrieben: Hier wohnt der vollkommenste Kavalier.
»Nun!« rief Suse, »wenn die Leute es jetzt nicht wissen, laß ich so glücklich bin, den vollkommensten Mann zu haben, so weiß ich nicht, wie man es ihnen sonst beidringen soll.«
»Wohlan denn, mein Lieber,« antwortete Suse, »ich werde nicht hineingehn.«
Und nun nahm er Abschied und entfernte sich.
Als Suse allein saß, in dem großen Schlosse, empfand sie alsbald Langeweile. Aus einem Löchlein hinter der Tapete kam eine Maus herausgeschlüpft, die stellte sich aufrecht auf die Hinterfüßchen und sprach:
Damit ging Frau Mabuse höhnend fort. Nicht lange währte es, so ließ sich ein Vogel am offenen Fenster nieder und sang:
»Ich weiß es nicht,« entgegnete Suse, schon etwas verdrießlich; »ich sollte meinen, es sind Bücher und Schriften, die meinem Manne zugehören.« Der Vogel stieß ein lautes Gelächter aus, und rief:
Die Spinne haspelte sich wieder hinauf, ohne eine Antwort zu erwarten. Suse jedoch rief ihr nach: »Madame, ich finde es sehr sonderbar, daß Sie sich unterfangen, hier Schlechtes von meinem Manne zu sprechen. Ich verbitte mir das fürs Künftige.«
Aber alle diese Reden hatten einen Stachel in dem Herzen Susens zurückgelassen. Es kam ihr dazu wieder in den Sinn, daß sie ihrem Vater versprochen hatte, über das Schicksal ihrer verschwundenen Schwestern
So sprach Suse, und vom Sprechen zum Handeln war nur ein Schritt. Sie nahm den verbotenen Schlüssel und öffnete damit das Kabinett. Was entdeckte sie hier? Lauter Gegenstände, die sie auf den ersten Blick nicht erkannte, und von deren eigentlicher Beschaffenheit sie sich keine Vorstellung machte. Aber sie wurde von den Dingen selbst belehrt. Als sie zu einem dieser Gegenstände herantrat, sprach eine Stimme:
»Was muß ich hören!« rief Suse. »Also seine schönen Waden sind nicht seine eignen.« Als sie sich einem andern Tische näherte, tönten Stimmen, die riefen:
»So!« rief Suse; »die Botschaft ist nicht übel und paßt zu der ersten wie ein Ei zum andern. Allerliebste Geheimnisse, die ich da erfahre! Ja, nun begreife ich, daß er mich nicht hier hat wollen eintreten lassen. Der Gauner, der Schelm! Nun wollen wir hören, was wir noch erfahren werden.« Sie trat an ein Schächtelchen, daraus tönte hervor:
»Miserabel!« seufzte die arme Frau; »also auch falsche Zähne, die ich nie habe leiden können! Der abscheuliche Mann!« Sie ging weiter und stand vor einem Porzellandöschen still, aus dem es hervorrief:
»Nun ja, das fehlt noch! Also nicht einmal sein Bart ist echt! Ich armes Weib, so grausam ist noch keine von ihrem Manne getäuscht worden. Ich wage gar nicht, noch weiterzugehen; wer weiß, auf was für
»Aber mich gar nicht!« rief Suse und stampfte weinend und ganz zornig den Boden. »Ist's erhört! also einäugig, rattenkahl, spindeldürr und Bart und Gesicht gefärbt – das ist der vollkommenste Kavalier! Nun warte! Die Welt und seine arme Frau so zu betrügen! Es ist zu toll! Was ist denn in dem Topfe da?« – Eine Stimme erwiderte:
»Gleichviel!« rief sie; »es ist nun einmal getan. Komme nun, was da wolle! Aber ich habe nun noch nicht einmal herausgebracht, wo meine armen Schwestern sind. Sicherlich haben sie ebenso wie ich gehandelt und sind nun von dem Wütrich irgendwo eingesperrt.« Sie ging nochmals ins Kabinett, und da hörte sie in der Gegend eines großen Wandschranks etwas quieken und zwitschern, als wenn Vögel und Mäuse zugleich daselbst rumorten. Sie öffnete den Schrank, und – o Grausen! – da hingen ihre sieben Schwestern, an den Beinen aufgehängt und stießen die erbärmlichsten Klagelaute aus. Suse rief, ganz außer sich vor Entzücken: »Ach, meine liebe Annett', bist du da! Und
Und jetzt nahm sie eine nach der andern vorsichtig aus dem Schranke heraus, stellte sie wieder auf die Beine, und dann gab sie ihnen etwas zu essen und zu trinken.
Aber gleich darauf rief sie: »Aber ihr müßt alle wieder geschwind in den Schrank, denn ich höre den abscheulichen Mann heimkommen!« Die Schwestern krochen wieder in den Schrank hinein, und nur Lottchen, das Teufelsbottchen, öffnete nochmals die Tür ein wenig und rief: »Hast du mich nötig, so sag' es nur; ich habe Courage, es nochmals mit ihm aufzunehmen.«
»Liebes Lottchen,« erwiderte Suse, »es hilft alles nichts. Wenn ich's nicht zustande bringe, kannst du's auch nicht. Wir müssen nun entweder alle untergehn oder alle gerettet sein.«
Als der Blaubart sein Haus betrat, rief er sogleich: »Wer hat sich unterstanden, die Worte, der vollkommenste Kavalier' auszustreichen?«
»Ich!« entgegnete Suse, »weil es eine Lüge ist.«
»Du bist nicht der vollkommenste Kavalier,« fuhr Suse fort, »sondern der allermiserabelste und unvollkommenste, den man finden mag.
»So, so!« rief der Blaubart; »stehn die Sachen dergestalt! Also auch du ungehorsam und neugierig. So wirst du es mir denn auch nicht verdenken, wenn ich an dir dieselbe Strafe vollziehe, die deine Schwestern, die sich desselben Vergehens schuldig gemacht, erlitten haben. Ich werde dich zeitlebens einsperren und jeden Tag eine Stunde an den Beinen aufhängen zur Erholung. In dieser Stellung finde ich hübsche Frauen am schönsten, und man kann sie mit gehöriger Muße betrachten. Deinem Vater soll jedoch dein Tod gemeldet werden. Auf diese Weise ist er alle seine acht leichtfertigen Mädchen los und hat das hübsche Geld, das ich ihm gezahlt habe. Was mich betrifft, so erfährt die Nachbarschaft nichts von meinen Geheimnissen, und ich bleibe nach wie vor der vollkommenste Kavalier, das ist die Hauptsache.«
Und als er diese Rede vollendet hatte, ergriff er
»Verschweigen!« riefen alle acht mit einer Stimme; »unmöglich, Papa! Das ist eben unsre Genugtuung, das wir alles, was uns geschehen und was uns nicht geschehen, in der Nachbarschaft haarklein erzählen können.